Wie Hapag-Lloyd die Containerriesen auf schwefelarmen Brennstoff umschaltet

In immer mehr Regionen der Welt müssen Schiffe zu schwefelarmen Brennstoff wechseln, bevor sie in die Emission Control Areas fahren dürfen. Doch wie schaltet man einen Containerriesen eigentlich um? Die Prozedur ist aufwendiger als man es sich vorstellt.

Viskositäten, Temperaturen, Verbräuche – das sind Begriffe, die jeden Chief Engineer zum Strahlen bringen. Wie gut, denn sie sind entscheidend für das Umschalten, das so genannte Fuel Change-Over beim Anlaufen und Verlassen von Emission Control Areas, zum Beispiel in Nordamerika und Nordeuropa. „Dort gilt seit dem 1. Januar 2015 die Obergrenze von 0,1 Prozent Schwefel im Brennstoff. Außerhalb sind 3,5 Prozent erlaubt“, sagt Chief Engineer Karsten Bartlau im Ships Office der „Kuala Lumpur Express“.

In immer mehr Seegebieten auf der Welt gelten verschärfte Obergrenzen für den Schwefelgehalt in Brennstoffen. Auch auf den Containerschiffen von Hapag-Lloyd kommt deshalb immer öfter schwefelarmer Marine Diesel Oil (MDO) zum Einsatz. Es ist nicht nur erheblich teurer als normales Heavy Fuel Oil (HFO), die Umstellung auf MDO bedeutet auch eine aufwendige Prozedur: Bevor das Schiff in eine Emission Control Area hineinfährt, muss der Brennstoffkreislauf vollständig umgestellt sein. Doch wie genau funktioniert das?

Foto: Sebastian Vollmert / Hapag-Lloyd

Foto: Sebastian Vollmert / Hapag-Lloyd

Gleich vier Mal pro Umlauf muss beispielsweise die „Kuala Lumpur Express“ den Brennstoff umschalten. Das 8.750-TEU-Schiff pendelt im AX1-Service zwischen Nordeuropa und der US-Ostküste – und damit zwischen den ECAs in Nordamerika sowie in Nord- und Ostsee. Beim Anlaufen des Ärmelkanals zum Beispiel gilt: Mit der Überschreitung von „5 West“ (fünf Grad westlich von Greenwich) darf nur noch Brennstoff mit weniger als 0,1 Prozent Schwefel durch die Einspritzdüsen laufen. Andernfalls drohen auf beiden Seiten des Atlantiks eine Geldstrafe in sechs- bis siebenstelliger Höhe, Fahrplanverzögerung oder Anlaufverbote. In den USA kann die Schiffsführung sogar verhaftet werden, wenn ihr Verstöße nachgewiesen werden.

Die Vorbereitung des Umschaltens ist entsprechend gründlich. Sie beginnt etwa 24 Stunden vor Erreichen der ECA-Grenze mit einer Nachricht der nautischen Offiziere. „Die Nautiker sagen uns, wann wir die Grenze erreichen werden. Von diesem Zeitpunkt aus rechnen wir rückwärts“, sagt Chief Bartlau. Gemeinsam mit dem dritten Ingenieur beginnt er sofort mit den Vorbereitungen. Zunächst sorgen sie dafür, dass die Temperatur des HFO-Brennstoffkreislaufs langsam auf 120 Grad Celsius absinkt und die des MDO-Servicetanks auf 45 Grad Celsius ansteigt. Damit beträgt die Temperaturdifferenz zwischen beiden Brennstoffen nur noch etwa 75 Grad. Ein deutlicher Vorteil. „Der Temperaturunterschied zwischen gerade genutztem und neuem Kraftstoff ist eine der wichtigsten Determinanten“, so Bartlau. Denn die Kraftstofftemperatur an der Hauptmaschine darf sich nur um maximal zwei Grad Celsius pro Minute ändern. Andernfalls drohen Leckagen oder im schlimmsten Fall sogar ein Ausfall der Hauptmaschine.

Foto: Hapag-Lloyd

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Außerdem errechnet der Chief mit dem Fuel Change-Over Calculator, die Software ist eigens für jedes einzelne Schiff der Flotte individuell angepasst worden, die Umstelldauer. Sie beträgt bei der „Kuala Lumpur Express“ in dem demonstrierten Beispiel genau 3:41 Stunden. Bei diesem Schiff geht das Umschalten damit sehr schnell – weil es vergleichsweise neu ist. Bei älteren Schiffen kann der Prozess bis zu 72 Stunden dauern.

„Mit diesen Daten gehen wir zu den Nautikern. Sie müssen wissen, dass wir ab 61,1 Seemeilen westlich 5 Grad West – zuzüglich einer Sicherheitszone von 10 bis 15 Minuten – eine Fahrt von 16,6 Knoten benötigen, damit wir in der kalkulierten Zeit den schwefelhaltigen Brennstoff sicher verbrauchen.“ Um Chief und drittem Ingenieur genügend Zeit zu geben, die Umstellung vorzubereiten, müssen sie fünf Stunden vor Erreichen der Zone Bescheid bekommen.

Etwa 4:20 Stunden vor Erreichen der Grenze beginnen die Maschinisten bereits mit der Umstellung. Sie stoppen die Zufuhr von Heißdampf – der Heizung für HFO-Leitungen und Aggregate. Außerdem öffnen sie das MDO-Ventil ein Stück weit und schließen das HFO-Ventil entsprechend. Das wiederholen sie mehrfach in den nächsten 40 Minuten, denn die errechneten 3:41 Stunden für das Fuel Change-Over gelten bei voll geöffnetem MDO- und vollständig geschlossenem HFO-Ventil.

Foto: Sebastian Vollmert / Hapag-Lloyd

Foto: Sebastian Vollmert / Hapag-Lloyd

Sobald das Ventil geöffnet ist, läuft MDO durch Pumpen und Filter. Es vermischt sich mit dem zurücklaufenden HFO, das nicht verbrannt wurde, und ersetzt es nach und nach. Dabei senkt sich auch die Temperatur des Brennstoffs.

„Wir steuern nacheinander auch jeweils die zweite Supply- und ­Zirkulationspumpe sowie alle Kammern der beiden Filter an. Nur dann können wir sicher sein, dass alle HFO-Reste verbrannt sind“, so Bartlau. Denn nichts wäre unglücklicher als ein rechtzeitig gemanagter Umstellungsprozess, nach welchem ein Beamter ausgerechnet aus der Pumpe die Probe zieht, die nicht in Betrieb war. „Da hätten wir schlechte Karten, wenn wir sagen müssten: An dieser Stelle bitte nicht!“ Bartlau hat in den vergangenen Monaten bereits eine Kontrolle erlebt, bei der Proben genommen und analysiert wurden. Ohne Befund – einwandfreier Schwefelgehalt.

Foto: Sebastian Vollmert / Hapag-Lloyd

Foto: Sebastian Vollmert / Hapag-Lloyd

Wolfram Guntermann, Director ­Environmental Fleet: „Wir befürworten regelmäßige, strenge Kontrollen in allen Emission Control Areas. Nur dann kann der positive Effekt für die Umwelt auch wirklich eintreten.“ Die Befürchtung der Reedereien, die sich konsequent an Recht und Gesetz halten: Wo keine Kontrolle ist, ist auch eine deutlich geringere Bereitschaft zum Handeln da. Schließlich geht es um sehr viel Geld – schwefelarmes MDO kostet ziemlich genau das Doppelte von HFO. Deshalb ist Hapag-Lloyd auch der Trident Alliance beigetreten. Die Initiative ist ein Zusammenschluss von Reedereien, die sich zum verbindlichen und transparenten Durchsetzen der Schwefelrichtlinien verpflichten. Guntermann: „Gleichzeitig geht es auch darum, dass fairer Wettbewerb gewährleistet bleibt.“

Beim Einfahren in die Emission Control Areas liegt die Herausforderung darin, das Fuel Change-Over wenige Minuten vor Erreichen der Grenze abgeschlossen zu haben. Beginnt der Chief zu früh mit der Umstellung, verfeuert er im wahrsten Sinne des Wortes Geld. Schon eine Stunde mehr MDO-Verbrauch bedeutet gleich einen vierstelligen Dollar-Betrag.

Beim Verlassen der Zone geht es ausschließlich darum, die Komponenten der Maschine nicht durch den Wechsel vom kalten MDO zum heißen HFO zu schädigen. Auch hier gilt deshalb die „Zwei Grad pro Minute“-Regel. Chief Bartlau: „Bei den ersten Fahrten war die Umstellung ein aufregender Prozess. Kein Mensch wusste, wie Hauptmaschine und Aggregate reagieren. Inzwischen ist bei uns an Bord auf der „Kuala Lumpur Express“ eine große – und sehr gewissenhafte – Routine eingekehrt.“