Hapag Lloyd nimmt Abschied von der „Heidelberg Express“ – So funktioniert Schiffsrecycling

Good bye „Old Lady“

Die „Heidelberg Express“ ist eines von 16 älteren Schiffen, von denen Hapag-Lloyd sich getrennt hat. Sie wird momentan in der Türkei umweltgerecht recycelt. Doch wie funktioniert das genau?
Funken fliegen aus den vorderen Decks. Auf der Spezialwerft im türkischen Aliağa, einer Stadt ganz im Westen des Landes an der Ägäisküste, ragt der mächtige Stahlrumpf der „Heidelberg Express“ aus dem Wasser. Geschützt durch robuste Schutzkleidung, Helme und Sicherheitsbrillen schneiden sich zahlreiche Männer mit ihren Schweißbrennern durch den dicken Stahl, bis zur Grundplatte des Schiffes. Nach vier Monaten erinnert nichts mehr an das stolze Containerschiff, auf dem einst zahlreiche junge Kapitäne von Hapag-Lloyd ihre Laufbahn begonnen hatten.

Foto: Hapag-Lloyd

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Die „Heidelberg Express“, die bei ihrer Indienststellung 1988 zu den modernsten Schiffen der Flotte gehörte, ist das vorerst letzte von insgesamt 16 Schiffen, die Hapag-Lloyd nach und nach außer Dienst gestellt hat, weil sie nicht mehr in das Portfolio passten. Doch nicht jedes ausgemusterte Schifft ist automatisch ein Recyclingkandidat. „Einige dieser Schiffe haben wir auch weiterverkauft, sie bleiben in Fahrt“, erläutert Richard von Berlepsch, Managing Director Ship Management.

Foto: Hapag-Lloyd

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Die „Heidelberg Express“ allerdings, zuletzt zwischen Mittelmeer und Kanada unterwegs, trat kürzlich definitiv ihre letzte Reise an. Kapitän Felino D’Souza überführte die 235 Meter lange und 32 Meter breite „Old Lady“ im Juni in die türkische Werft – und stellte ihre Schiffsschraube für immer ab.

Hapag-Lloyd setzt mit dem umweltfreundlichen Schiffsrecycling eine Richtlinie um, die der Vorstand vor gut einem Jahr beschlossen hatte. Seitdem werden eigene ausgediente Schiffe auf speziell dafür ausgerüstete Werften überführt. So soll sichergestellt werden, dass die „Old Ladies“ nicht unter fragwürdigen Umwelt- und Arbeitsschutzbedingungen an Stränden von Indien, Pakistan oder Bangladesch verschrottet werden. Hapag-Lloyd nimmt damit eine Vorreiterolle in der Industrie ein. Damit alles den Regeln entsprechend abläuft, wird jeder Arbeitsschritt genau dokumentiert und überwacht. „Zudem führen wir unangekündigte Inspektionen durch“, sagt Richard von Berlepsch.

Und so läuft das Recycling dann im Detail ab:

Vorbereitung

Zunächst wählt Hapag-Lloyd eine Werft aus, die auf das ökologische Recycling von Schiffen spezialisiert ist. Diese erhält von Hapag-Lloyd ein sogenanntes Inventory of Hazardous Materials (IHM), in dem alle Gefahrstoffe an Bord gelistet sind. Zudem beauftragt Hapag-Lloyd einen Spezial-Dienstleister, der das Recycling vor Ort überwacht, dokumentiert und wöchentlich über den Fortschritt der Arbeiten berichtet.

Letzte Fahrt

Ein Kapitän fährt die „Heidelberg-Express“ in die Spezialweft in Aliağa und fährt dabei die Tanks so gut wie leer. Dort schaltet die Crew das Stromsystem ab und übergibt das 2.803-TEU-Schiff an die Werft. Anschließend erarbeitet die Werft für das Schiff einen maßgeschneiderten Recycling-Plan, der den genauen Ablauf der Verwertung beschreibt und alle verwertbaren Gegenstände und Materialien enthält. Gefahrstoffe an Bord werden markiert und entsprechend gesichert.

Vorreinigung

Danach beginnen die Arbeiter mit der sogenannten Vorreinigung auf dem schwimmenden Schiff. Dabei entfernen sie alle losen Gegenstände aus den Frachträumen der „Heidelberg Express“, den Kabinen und dem Maschinenraum. Zudem werden Decken, Dämmung und Wandverkleidungen heraus geschnitten; elektrische Anlagen und Leitungen ausgebaut. Auch der Treibstofftank wird gereinigt. Parallel schneiden die Männer Löcher in den Rumpf oberhalb der Wasserlinie, die für eine natürliche Beleuchtung und Belüftung des Innenraums für die bevorstehenden Demontagearbeiten sorgen.

Foto: Hapag-Lloyd

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Demontage

Zunächst entfernen die Arbeiter den Anker samt Ankerwinde und Kette, dann das Bugstrahlruder. Bei den anschließenden Schweißerarbeiten werden die Aufbauten und die Wände der Frachträume nach und nach in Blöcke zerlegt und per Kran in einen separaten Bereich der Werft gehoben. Dort zerlegen Arbeiter die tonnenschweren Teile in kleinere Stücke, die dann abtransportiert und recycelt werden. Deck für Deck und Frachtraum für Frachtraum tragen die Arbeiter die „Heidelberg Express“ bis zur Grundplatte ab. Mit ihren Schweißbrennern fressen sie sich von oben nach unten und von vorne nach achtern durch das Schiff, welches am Heck noch immer schwimmt. Erst ganz zum Schluss wird auch die Heckpartie an Land gezogen und ebenfalls zerlegt.

Foto: Hapag-Lloyd

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Zertifizierung

Sind alle Arbeiten abgeschlossen, bestätigt die Werft das umweltgerechte Recycling der „Heidelberg Express“ mit einem Zertifikat. Zudem erhält Hapag-Lloyd einen detaillierten Abschlussbericht. Darin ist dokumentiert, dass alle Gefahrgutstoffe fachgerecht aus dem Schiff entfernt und entsprechend den Vorschriften entsorgt oder recycelt wurden. Alle Prüfberichte sowie Entsorgungsbescheinigungen sind ebenfalls in dem Bericht enthalten. „Während der gesamten Demontage ist ein Team des von uns beauftragten Überwachungsbetriebes vor Ort auf der Werft und verifiziert jeden Schritt. So stellen wir sicher, das alles mit rechten Dingen zugeht“, sagt von Berlepsch.

Mit dem Ende der „Heidelberg Express“ schließt sich bei Hapag-Lloyd auch ein besonderes Kapitel: das letzte in Deutschland gebaute Containerschiff ist nun ein Fall für die Geschichtsbücher.