Schifffahrt auf Kurs, wenn auch in schwerem Eis

Foto: Madle-Fotowelt

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) lud am 07.12.2012 zu seiner Jahrespressekonferenz ein.

Im Vordergrund stand für den VDR Präsidenten Michael Behrendt die Krise bei den deutschen Charterreedern. Zu große Frachtkapazitäten stehen einem zu geringem Frachtaufkommen entgegen. Hierdurch geraten die Reeder unter Preisdruck und können keine ausreichenden Einnahmen erzielen. Charterreeder vermieten ihre Kapazitäten an die Linienreedereien, wie z.B. Hapag-Lloyd oder Hamburg Süd. Diese verfügen zwischen 30% und 50% eigenem Frachtraum.  2012 sind die Tonnagen deutlich hinter den Erwartungen zurück geblieben, welches die Linienreeder mit der Rückgabe von Schiffsraum an die Charterreeder ausgleichen können.

Bereits im Sommer haben wichtige schiffsfinanzierende Banken angekündigt, sich dauerhaft aus der Schiffsfinanzierung  zurück zu ziehen. Auch hieraus ergeben sich Konsequenzen für die Charterreedereien. Es waren gerade die kleinen Reedereien, welche aus den Gewinnen ihre Schiffe bezahlten. Nun haben sie zwar Sicherheiten, jedoch keine Finanzierungspartner mehr. Doch gerade sie sind auf kurzfristige Finanzierungen angewiesen. Behrendt führte als Beispiel die erforderliche Klassenprüfung („Schiffs-TÜV“) an. Allein diese schlägt in Intervallen von 5 Jahren mit mehreren 100TSD Euro zu Buche. Jedoch nicht nur im Neugeschäft, sondern auch bei laufenden Finanzierungen erhöhen die Banken den Druck. In der Sprache der Banken nennt sich dieses „wertschonende Bereinigung“, wobei sich diese Begrifflichkeit sicher nur auf die Finanzhäuser beziehen lässt. So spricht der VDR dann auch von einer Doppelkrise für die Charterreeder, bestehend aus den zu geringen Margen und dem Fortfall von Finanzierungspartnern.

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Aktuell gibt es bereits 113 Insolvenzen. Betroffen sind hiervon überwiegend Ein-Schiff-Reedereien. Bei 500 weiteren gilt die Lage als sehr angespannt, führt Ralf Nagel (Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied  VDR) auf Nachfrage aus. Im Gegensatz hierzu haben die Linienreedereien nach wie vor guten Zugang zu Fremdkapital, da sie über ausreichende Liquiditätsreserven verfügen und vor allem den Zugang zu den Kunden haben. Sie transportieren die Waren und stellen Rechnung, gleichgültig ob mit eigenen oder gecharterten Schiffen.

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Der VDR fordert in diesem Zusammenhang keine flächendeckenden Subventionen, sondern einen zeitlich begrenzten und rückzahlbaren Einsatz von KfW- Mitteln zum Ausgleich der fehlenden Finanzierungspartner. Der Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler bescheinigte der Forderung in einem Schreiben an den VDR jedoch bereits eine Absage. Aktuell investiert die KfW beim Flugzeugbauer EADS, welches Michael Behrendt zur Aussage verleitete: „Wenn die Automobilindustrie hustet, gibt es vom Bund eine Abwrackprämie. Die Charterschifffahrt hat bereits eine Lungenentzündung…“

Die Ausbildung von Fachkräften bei den Reedereien wird seit langem mit 58 Mio. Euro p.a. von der Bundesregierung unterstützt, so Behrendt. Aktuell wird dieses durch den maritimen Koordinator der Regierung als Krisenhilfe dargestellt. Vor einem Jahr beschlossen die deutschen Reeder diese Mittel um 30 Mio. aufzustocken. Vor wenigen Tagen wurde hierfür die Stiftung „Schifffahrtstandort Deutschland“ gegründet. Durch diese Stiftung wird die Ausbildung von Schiffsmechanikern und Offiziersassistenten gefördert. Darüber hinaus werden die Seefahrtzeiten von Nachwuchsoffizieren unterstützt, damit diese ihre Patente ausfahren können. Behrendt: „Die Unternehmen, Schulen und vor allem die jungen Menschen brauchen Planungssicherheit über das kommende Jahr hinaus.“

Planungssicherheit ist für jeden Unternehmer essentiell. Diese Planungen werden nun durch eine neue Abgabe beansprucht. Reedereien zahlen Versicherungssteuer auf die Gewinne der Schiffspools. Was ist ein Schiffspool? Die meisten Schiffe von Charterreedereien fahren in einem Pool. Dieses bedeutet: Die Gewinne aller Schiffe eines Pools fließen in einen gemeinsamen Topf, werden dort versteuert und die verbleibenden Nettoerlöse fließen zurück an die Reeder. Hierdurch können die Chancen und Risiken des Marktes besser abgefedert werden. Diese Praxis hat sich weltweit durchgesetzt. Das Bundeszentralamt für Steuern erkennt hierin nun eine Versicherungsleistung auf Gegenseitigkeit und erhebt zusätzlich 19% Versicherungssteuer. Dieses gilt rückwirkend für sieben Jahre und belastet die Reeder pro Pool mit 15-20 Mio. Euro. Die Steuerbescheide liegen den Reedern bereits vor.

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Durch die bestehende Krise trifft es wieder die Charterreedereien. Da es diese Besteuerung jedoch nur in Deutschland gibt, entsteht auch hier eine weitere Gefahr für die Abwanderung von Reedereien. Behrendt: „Wäre die Lage nicht so ernst und existenzbedrohend, müsste man sich über die Kreativität der deutschen Steuerbehörden beinahe amüsieren.“

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Wie sehen die Prognosen für die Schifffahrt aus? Auch hierbei ist zwischen den Charter- und Linienreedereien zu unterscheiden. In der Linienschifffahrt rechnet der VDR mit einem Wachstum bis 2017 um 30% (37 Mio. TEU) und beruft sich hierbei auf eine Prognose von „Global Insight“, einem Wirtschaftsforschungsinstitut aus den USA. Die von den Linienreedereien abhängigen Charterreeder werden hingegen in 2013 weiter um ihre Existenz kämpfen. Frachtvolumen und Frachtaufkommen werden sich in den nächsten Jahren weiter angleichen müssen, um auch für die Charterreeder wieder ausreichende Margen zu erzielen. Bedingt durch die Krise bedenken die Reeder auch, ob sie 15 Jahre alte Schiffe nochmal durch die Klassifikationsgesellschaften prüfen oder den Stahlpreis mitnehmen und abwracken lassen. Trotz allem werden mittelfristig die Perspektiven als gut bezeichnet.

Aktuell werden auf deutschen Schiffen 73.000 Besatzungsmitglieder beschäftigt. Hiervon haben lediglich 8.000 einen deutschen Pass. Hinzu kommen 23.000 Beschäftigte an Land. In diesem Jahr wurde die Maritime Labour Convention, das internationale Seearbeitsübereinkommen, unterzeichnet. Es schützt 1,2 Mio. Seeleute weltweit vor Sozialdumping. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord verbessern sich hierdurch grundlegend. Auch Schiffe aus nicht ratifizierenden Staaten können sich diesem nicht entziehen, denn in den Häfen der teilnehmenden Länder drohen ihnen hohe Geldbußen bei Nichteinhaltung der Vereinbarungen. Die Convention stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Flotte, denn hier sind diese Standards längst gesetzlich festgeschrieben.

Bald ist Weihnachten und 147 Seeleute auf 9 Schiffen befinden sich aktuell in der Hand von Piraten. Auch wenn der hoheitliche Schutz der Handelsflotte bisher versagt wurde, gibt es mittlerweile in Deutschland eine gesetzliche Regelung zum Einsatz privater Sicherheitsdienste in der Flotte. Der VDR stellt fest, dass der Kampf gegen die Piraterie langfristig nur an Land gewonnen werden kann. Aus diesem Grund unterstützt der VDR, zusammen mit den SOS-Kinderdörfern und dem Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit in Dschibuti, den Aufbau eines Lernzentrums. Hierdurch sollen die Jugendlichen einen Zugang zu Bildung und Fortschritt erhalten.

 

(Gastautor Jürgen Scholüke von madle-fotowelt.de)