Kreuzfahrtschiff HENNA (JUBILEE): Verschrottung in Alang

Bye-Bye, HENNA (JUBILEE)

Ein altes Kreuzfahrtschiff wird verschrottet. Nichts Besonderes, sollte man meinen, schließlich werden ja auch allerhand neue gebaut, und keine kleinen. Allein diesen Monat sind derer gleich drei abgeliefert worden, die MAJESTIC PRINCESS, die AIDAPERLA und die NORWEGIAN JOY, Schiffe mit einer Kapazität für über 4.000 Passagiere. Jeweils. Fällt da ein 30 Jahre alter Kreuzfahrer ins Gewicht, der nicht einmal halb so groß ist? Ja.

Archivfoto/Postkarte: Kai Ortel

Bei besagtem Schiff handelt es sich um die HEN, die am 25. April auf Reede vor dem indischen Bhavnagar eintraf und am 28. April in Alang auf den Strand gesetzt wurde. Besser bekannt ist dieser Kreuzfahrer allerdings unter seinen früheren, ungleich klangvolleren Namen – HENNA, PACIFIC SUN und JUBILEE. Keine geringere als die Carnival Cruise Line hatte das Schiff 1986 im Miami unter seinem Taufnamen JUBILEE in Dienst gestellt, als zweites einer aus drei Einheiten bestehenden Baureihe, die neben der 1985 gebauten HOLIDAY auch noch die 1987 entstandene CELEBRATION umfasste. Das Trio hat in den 1980er Jahren Kreuzfahrtgeschichte geschrieben und den Weg geebnet für die FANTASY-Klasse bzw. all die anderen immer größeren Schiffe. Bis 2004 verblieb die JUBILEE in Diensten von „the most popular cruise line in the world“, zuletzt auf Kreuzfahrten in kalifornischen und mexikanischen Gewässern. Mit ihrer Kapazität für 1.486 (1.850) Passagiere war sie zum Schluss aber für die Bedürfnisse der Carnival Cruise Line schlicht zu klein geworden. Im Besitz der Reederei blieb das Schiff jedoch, nun unter dem Namen PACIFIC SUN und unter der Regie von P&O Cruises Australia (einer Carnival-Tochter), wo es bis 2012 Kreuzfahrten in australischen Gewässern ab Sydney und Brisbane unternahm.

Die dritte und letzte Stufe auf der Karriereleiter führte die ehemalige JUBILEE schließlich nach China. Der aufstrebende chinesische Kreuzfahrtmarkt verlangte nach Tonnage, und im Gegensatz zu ausländischen Mitbewerbern wie Costa, Royal Caribbean International und anderen nahm sich die chinesische Hainan Airlines (HNA) Group zum Ziel, mit Hainan Cruises ein Produkt zu schaffen, das bewusst auf lokale Aspekte setzte. Man verstehe die Bedürfnisse der chinesischen Gäste besser als jeder andere, hieß es aus Haikou. Kauf und Modernisierung der PACIFIC SUN ließ man sich 80 Mio. US-$ kosten. Immerhin drei Monate verbrachte das Schiff dann 2012/13 in der Werft, ehe es unter dem neuen Namen HENNA am 26. Januar 2013 zu seiner ersten Fahrt in chinesischer Regie antreten konnte. Kurzkreuzfahrten von Hainan nach Vietnam standen nun auf seinem Programm sowie ebensolche von Tianjin nach Südkorea. Schon nach einem Jahr wurde aber im Frühjahr 2014 bekannt, dass diese Reisen finanziell alles andere als ein Erfolg waren. Doch Hainan Cruises machte weiter, ließ zwischenzeitlich sogar einen 94.000 BRT-Neubau bei der Meyer Werft entwerfen, zu dem es nie kam. Denn nach drei Jahren, am 16. November 2015 war Schluss. Zu den ohnehin hohen Verlusten der HENNA habe immer mehr die sich verschärfende Konkurrenz-Situation auf dem chinesischen Kreuzfahrt-Markt beigetragen, auf dem sich die bereits erwähnten ausländischen Anbieter mit ihren immer größeren und immer spektakuläreren Schiffen einen heißen Wettbewerb lieferten. Für die kleine HENNA war da schlicht kein Platz mehr, weder in China noch sonst wo. Oder doch?

Foto: Wei-Lin Chen

Am Preis kann es jedenfalls nicht gelegen haben, dass die ehemalige JUBILEE keinen Käufer gefunden hat, der das Schiff weiter in Fahrt halten wollte. Denn nachdem die HNA Group den Verkaufspreis der HENNA Ende 2015 zunächst noch mit 35 Mio. US-$ angegeben hatte (was gegenüber den 80 Mio. US-$, die man keine drei Jahre zuvor in das Schiff investiert hatte, schon eine herbe Abschrift bedeutete), war man ein Jahr später auf nur noch 12 Mio. US-$ heruntergegangen. Kein Preis eigentlich für ein Kreuzfahrtschiff, das in anderen Märkten noch immer locker zu den größeren seiner Art gezählt hätte. Auch hatte die Bahamas Paradise Cruise Line erst 2014 für das Schwesterschiff CELEBRATION schlappe 80 Mio. US-$ ausgegeben und die chinesische Bohai Ferry Company für die gerade einmal halb so große COSTA VOYAGER 43 Mio. US-$. Da sollte man doch annehmen, dass die HENNA für einen Bruchteil dieser Summe mühelos einen Käufer finden würde. Auch das zweite Schwesterschiff, die ehemalige HOLIDAY, verkehrt schließlich seit 2015 unter ihrem neuen Namen MAGELLAN höchst erfolgreich für ihren neuen Besitzer (Cruise & Maritime Voyages).

Auch ihr zugegeben fortgeschrittenes Alter von 32 Jahren möchte man nicht so ohne weiteres als Hauptgrund für die Verschrottung annehmen. Andere Kreuzfahrtschiffe, die noch ein ganzes Stück älter sind als die ehemalige JUBILEE, fahren nämlich zur selben Zeit weitgehend sorgenfrei über die sieben Weltmeere, man denke hier nur an die Schiffe des Royal Viking Line-Trios von 1972/73 (BLACK WATCH, BOUDICCA, ALBATROS).

War die HENNA also zuletzt vielmehr technisch in einem derart schlechten Zustand, dass sich kein potenzieller neuer Besitzer an das Schiff herangetraut hat? Schon eher. Bereits zu Carnival- und zu P&O Australia-Zeiten hat man nämlich Branchenkrisen zufolge angeblich nicht mehr als unbedingt nötig in die Instandsetzung des Schiffes gesteckt, und unter chinesischer Regie schon gar nicht. Wie so oft bei älteren Passagierschiffen soll insbesondere die Klima-Anlage an Bord ihre Tücken gehabt haben, auch mit den Rohrleitungen und Pumpen soll es Probleme gegeben haben. Zudem geht mit jedem Eigner- und Besatzungswechsel zwangsläufig wichtiges Know-How verloren, so dass technische Probleme plötzlich unlösbar sind, die der vorherige Chief Engineer vermutlich mit einem Handgriff oder dem richtigen Knopfdruck gelöst hätte.

Oder lag es vielleicht doch an der Kapazität der HENNA, dass sich am Ende keine Reederei der Welt für das Schiff erwärmen konnte? Unwahrscheinlich. Natürlich verlangt der Markt im 21. Jahrhundert vor allem nach großen, spektakulären Neubauten auf der einen Seite und nach kleinen, exklusiven Schiffen auf der anderen. Doch Anbieter mit mittelgroßer Tonnage gibt es trotz allem noch zur Genüge, vor allem in „old Europe“ (Phoenix Reisen, Cruise & Maritime Voyages, Fred. Olsen Cruise Lines, Celestyal Cruises). Hat hier vielmehr eine Marktsättigung eingesetzt, die aktuell keine zusätzliche Tonnage erfordert? Nicht wirklich. Auf dem englischen Markt erfreut sich das „no fly cruises“-Konzept von Cruise & Maritime großer Beliebtheit, und in Deutschland braucht man meist gar nicht erst versuchen, eine Kreuzfahrt zu buchen, weil viele Schiffe und Reisen oft bereits lange im Voraus ausgebucht sind. Mit ihrer Größe hätte die ehemalige JUBILEE jedenfalls eine wunderbare Ergänzung zu Schiffen wie ARTANIA, MAGELLAN oder CELESTYAL OLYMPIA abgegeben, immer vorausgesetzt, dass ein professionelles Schiffsmanagement die zuweilen widerspenstige Technik des „Oldtimers“ in den Griff bekommt.

„No cries to save her, bring her back to service? Where is the love?“, fragte diese Tage ein Schiffslieber in einem Kreuzfahrtforum anlässlich der Verschrottung der HENNA. Doch, hier sind sie. Ein paar Tränen, vergossen über die verpasste Chance, ein Kreuzfahrtschiff zu erhalten, das nicht zu klein und nicht zu groß ist, auch noch nicht wirklich alt, und das viele potenzielle Kreuzfahrt-Kunden hierzulande wie auch anderswo vermutlich lieber gehabt hätte als eine weitere MAJESTIC PRINCESS, eine weitere AIDAPERLA oder eine weitere NORWEGIAN JOY. Aber nun denn: Bye-Bye, JUBILEE.

 

(Gastautor: Kai Ortel)