Deutsche Reeder fordern Bundesregierung zum Handeln auf

Wettbewerbsfähigkeit des Schifffahrtsstandorts Deutschland verbessern

Zahlreiche Vertreter der maritimen Wirtschaft kommen am 8. und 9. April in Kiel zur 8. Nationalen Maritimen Konferenz (NMK) zusammen, um mit Politikern aus Bund und Ländern über die Zukunft des maritimen Standorts Deutschland zu diskutieren. Der Verband Deutscher Reeder (VDR) wird die Politik auf der NMK nachdrücklich zum schnellen Handeln in folgenden Punkten auffordern, um im Interesse der deutschen Reedereien die Wettbewerbsfähigkeit des Schifffahrtsstandortes Deutschland im internationalen Vergleich nachhaltig zu verbessern.

Foto: Hapag-Lloyd

Schneller, verbindlicher Stopp für Versicherungssteuer auf Erlöspools 

Eine große Bedrohung für die Schifffahrt in Deutschland ist die noch immer nicht abschließend geklärte Frage um die Erhebung von Versicherungssteuern auf Erlöspools. Die überwiegende Mehrheit der Charterreeder bündelt Schiffe in Pools, die ihre Einnahmen untereinander verteilen und somit Schwankungen ausgleichen. Erlöspools sind seit Jahrzehnten in Deutschland und weltweit gängige Praxis. Das Bundeszentralamt für Steuern hatte Ende 2012 unvermittelt erklärt, dass Erlöspool-Einnahmen grundsätzlich mit 19% Versicherungssteuer zu belegen seien. Auf Anweisung des Bundesfinanzministeriums liegt diese steuerrechtliche Prüfung seit Anfang des Jahres zwar auf Eis – mehr ist jedoch noch nicht passiert. Die drohenden Steuerbescheide schweben weiter wie ein Damoklesschwert über vielen Reedereien, für die eine Durchsetzung das sichere Aus bedeuten würde. „Es herrscht politischer Konsens, dass Erlöspools keine Versicherungstatbestände erfüllen, aber es fehlt immer noch die rechtliche Klarstellung“, sagte VDR-Präsident Michael Behrendt. „Die Politik muss nun möglichst schnell für Rechtssicherheit bei den Unternehmen sorgen.“ 

Rechtssicherheit bei Schutz vor Piraterie lässt weiter auf sich warten

Neue gesetzliche Bestimmungen sollen endlich Rechtssicherheit für den Einsatz privater bewaffneter Sicherheitskräfte auf Schiffen unter deutscher Flagge bringen. „Wir sind weiterhin der Auffassung, dass die Seeleute an Bord unserer Schiffe unter deutscher Flagge von hoheitlichen Kräften beschützt werden sollten“, sagte Behrendt. Dazu ist die Bundesregierung aus verschiedenen Gründen nicht bereit. „Um Angriffe von Piraten abwehren zu können, bleibt unseren Unternehmen nur der Einsatz privater Sicherheitsdienste“, so Behrendt. Nachdem der Deutsche Bundestag schon im Dezember 2012 grundsätzlich den Weg für die Schutzteams an Bord frei gemacht hat, fehlen noch immer die notwendigen Rechtsverordnungen.

Das geplante Zulassungsverfahren für die Sicherheitsunternehmen muss international anschlussfähig sein und sollte sich daher an den strengen Richtlinien der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) orientieren. „Unseren Seeleuten ist nicht geholfen, wenn deutsche Sondervorschriften den Marktzugang für ausländische Firmen verhindern und damit nicht ausreichend viele Sicherheitsunternehmen verfügbar sind.“

Flaggenstaatsverwaltung effizienter und service-orientierter gestalten

Als Wettbewerbsnachteil für die deutsche Flagge erweist sich zudem die komplizierte und noch immer nicht ausreichend attraktive Flaggenstaatsverwaltung in Deutschland.

„Wir brauchen – mindestens im europäischen Vergleich – auch in Deutschland eine moderne und damit wettbewerbsfähige Flaggenstaatsverwaltung“, sagte Behrendt. „Die Vielzahl von Behörden und lange Bearbeitungszeiten erfüllen nicht die Bedürfnisse der weltweit und rund um die Uhr aktiven Schifffahrtsbranche.“ Der VDR fordert nicht nur eine gute Erreichbarkeit und schnelle Reaktionszeiten, sondern auch eine zentrale Anlaufstelle für alle Belange der Seeschifffahrt. Behrendt: „Wir verlangen dafür keine Privatisierung. Wir glauben daran, dass auch eine deutsche Verwaltung hochgradig service-orientiert und effizient arbeiten kann. Man muss sie nur möglichst schnell entsprechend strukturieren und ausstatten.“

Bundesregierung muss Schifffahrtsförderung mittelfristig verstetigen

Politik und maritime Wirtschaft haben sich im Jahr 2012 darauf geeinigt, Ausbildung und Beschäftigung am Standort Deutschland mit insgesamt 90 Millionen Euro jährlich zu fördern. Die Schifffahrtsförderung des Bundes muss dafür mittelfristig auf dem Niveau von knapp 60 Millionen Euro verstetigt werden. Über die neue vom VDR gegründete „Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland“ erbringen die deutschen Reeder einen eigenen Beitrag von 20 Millionen Euro pro Jahr, um die Ausbildung des maritimen Nachwuchses auf deutschen Schiffen, das Ausfahren der Patente sowie die berufliche Weiterbildung zu fördern. Weitere zehn Millionen Euro kommen über die erhöhte Ausflaggungsgebühr hinzu.

„Damit leisten die deutschen Reeder trotz Krise einen substantiellen Beitrag für die Sicherung des maritimen Know-hows am Standort Deutschland“, so Behrendt. „Wir erwarten jetzt ein klares Signal der Bundesregierung, ihren Teil der Vereinbarung auch in den Jahren nach 2013 einzuhalten.“

Aufgrund der schweren Krise müssen die Reedereien mehr denn je auf die Wirtschaftlichkeit der Flagge an ihren Schiffen achten. „Gern würden viele Reeder mehr Schiffe unter die deutsche Flagge bringen“, so Behrendt. „Dafür brauchen wir aber die hier genannten Verbesserungen bei der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Flagge, für die sich der VDR einsetzt.“

Charterraten weiter auf niedrigem Niveau – Trend zur engen Kooperation

Die Fracht- und insbesondere die Charterraten stagnieren weiterhin auf niedrigem Niveau. „Der Druck zur Marktkonsolidierung bei den Charterreedern wächst. Es gibt einen Trend zur engen Kooperation“, sagte Behrendt. Einige Unternehmen bündeln einzelne Bereiche und Dienstleistungen, um Kosten zu sparen. „Der Prozess könnte an Fahrt gewinnen, wenn sich die Lage der Schifffahrtsmärkte nicht verbessert“, so Behrendt.

Indessen sorgen die deutschen Reeder dafür, die durch die schwere Finanz- und Weltwirtschaftskrise 2008/09 verursachten Überkapazitäten am Markt abzubauen. Seit Beginn der Krise haben sie praktisch keine neuen Schiffe mehr bestellt. Zudem hat die Anzahl der Verschrottungen von alter Tonnage stark zugenommen. Die deutsche Handelsflotte ist im Jahr 2012 erstmals seit Jahrzehnten geschrumpft. So sank die Zahl der Schiffe im deutschen Management im Vergleich zu 2011 um mehr als 100 auf knapp 3.700 Schiffe.

Angebot und Nachfrage bewegen sich aufeinander zu – Welthandel wächst wieder

Die Schifffahrt ist nach wie vor eine Wachstumsindustrie. Ohne Schifffahrt gäbe es keine Globalisierung und der Welthandel wäre nicht in seinem heutigen Ausmaß möglich. Der Welthandel soll laut IWF in naher Zukunft wieder deutlich wachsen, in diesem Jahr um 3,5 und in 2014 um 5,5 Prozent. Konservative Prognosen, etwa von IHS Global Insight, gehen im weltweiten Containerverkehr von 27 Prozent Wachstum zwischen 2012 und 2017 aus. „Angebot und Nachfrage bewegen sich eindeutig wieder aufeinander zu, wenn man diesem Nachfragewachstum das schrumpfende Orderbuch und die steigende Verschrottungsaktivität weltweit gegenüber stellt“, sagte Behrendt. Mit der drittgrößten Handelsflotte der Welt werden auch deutsche Reeder Vorteile aus der Entwicklung ziehen. Behrendt weiter: „Es ist aber ungewiss, ob gerade die mittelständischen Reedereien mit nur wenigen Schiffen die kommenden Monate noch weiter überbrücken können. Die Politik hat vielen unserer pragmatischen Lösungsansätze bislang eine Absage erteilt – das muss sich auf der Konferenz ändern.“

Über die Nationale Maritime Konferenz

Die Nationale Maritime Konferenz (NMK) ist eine seit dem Jahr 2000 regelmäßig stattfindende Konferenz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) zu maritimen Fragen und Interessen Deutschlands. Sie wird vom Maritimen Koordinator verantwortlich organisiert, veranstaltet und geleitet. Ziel ist es, den maritimen Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb zu stärken. Dabei hat sich die Nationale Maritime Konferenz zu einem bewährten maritimen Dialogforum entwickelt. Die NMK befasst sich in Workshops mit Schiffbau, Hafenwirtschaft, Seeschifffahrt und Meerestechnik, Offshore-Themen, maritimer Sicherheit und Klima- und Umweltschutz.

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