Sag zum Abschied leise „Tschüss“? Routing von AIDAprima und AIDAperla ungewiss

Es war starker Tobak, was das renommierte „Hamburger Abendblatt“ in seiner Ausgabe vom 10. September titelte: „Flaggschiff verlässt Hamburg“. Wie die Zeitung herausgefunden haben will, soll die AIDAprima „schon bald im Mittelmeer eingesetzt werden“. Der Plan von Aida Cruises, mit dem Schiff ganzjährige wöchentlich wiederkehrende Kreuzfahrten ab Hamburg anzubieten, wäre damit nach nur einer Saison gescheitert. Wie das HA weiter berichtet, soll die AIDAprima stattdessen im Winter 2017/18 ab Palma de Mallorca im westlichen Mittelmeer eingesetzt werden. Eine Bestätigung oder ein Dementi der Planänderung seitens der Reederei gibt es jedoch nicht, Aida will sich zu diesem Thema erst am 15. September äußern.

Zwei Szenarien stehen daher nun zur Debatte. Das erste: Die Meldung des HA ist eine Ente oder zumindest unsauber recherchiert. Denn statt die gerade erst am Markt eingeführten ganzjährigen Kreuzfahrten 2017 wieder aus dem Programm zu nehmen, könnte diese das Schwesterschiff AIDAperla übernehmen. Hierfür spricht, dass Aida Cruises mit der Auslastung der AIDAprima bisher „sehr zufrieden“ ist und dass auch die Vorausbuchungen „hervorragend“ laufen, wie die Zeitung schreibt. Allenfalls das für Winterkreuzfahrten in Nordeuropa ungeeignete offene Patio-Deck der AIDAprima (Deck 16) ist hier ein kleiner Schönheitsfehler, den man aber offenbar auf der AIDAperla beseitigen will. Die Außenaktivitäten an Bord wären dann nicht mehr ganz so wetteranfällig. Es wird gemunkelt, dass dieses Deck auf dem Nachfolgebau geschlossen ist – ein nachträglicher Umbauwunsch, der jedoch die ursprünglich für 2017 geplante Indienststellung möglicherweise bis in den Herbst verzögert. Auch dies ist allerdings unbestätigt, denn um die AIDAperla ist es von offizieller Seite merklich still geworden in den letzten Wochen. Interessanterweise hat Aida Cruises bislang auch noch keinen Deckplan der AIDAperla online gestellt, und auch eine Möglichkeit, Reservierungen zu tätigen, gibt es für das neue Schiff noch nicht. Dann bedeutet Szenario 1 lediglich, dass die Pressestelle von Aida Cruises bis zur offiziellen Veröffentlichung der Pläne für die AIDAprima und AIDAperla in ein paar Tagen keine ruhige Minute mehr hat. Und dass aus der Geschäftsbeziehung der Reederei zum „Hamburger Abendblatt“ mit Sicherheit keine lebenslange Freundschaft mehr wird.

Und das zweite Szenario? Das „Hamburger Abendblatt“ hat Recht mit seiner Schlagzeile. Die AIDAprima sagt nach dem Sommer 2017 leise „Tschüss“ und wird, wie in dem Bericht zu lesen, die Route der AIDAperla im Westlichen Mittelmeer übernehmen. Dort sei „mehr Geld zu verdienen“, wie laut HA aus dem „Umfeld der Reederei“ verlautet. Die eigentlich für Palma de Mallorca vorgesehene AIDAperla würde dann pünktlich zu Beginn der in Nordeuropa kalten und nassen Jahreszeit zwischen den Kanarische Inseln kreuzen und Hamburg fürs erste nicht einmal einen Besuch abstatten.

Doch was würde dies für Hamburg bedeuten und für den deutschen Kreuzfahrtmarkt? Für den Hamburger Hafen wäre dies ein weiterer herber Rückschlag. Denn die Hansestadt musste dieses Jahr nicht nur Negativ-Schlagzeilen um den versandenden Terminal am Grasbrook (“Schlick-Alarm stoppt die “Queen Mary 2”) und den modernen, aber wegen seiner Lage ungeliebten neuen Terminal in Steinwerder („Mittendrin und dennoch weit weg“) verkraften, sondern auch das Zurückrudern der Norwegian Cruise Line. Diese hatten für 2017 zunächst 19 Abfahrten der NORWEGIAN JADE ab Hamburg angekündigt, ganze zwei Drittel davon später aber wieder ziemlich leise zugunsten von Reisen ab Southampton abgesagt. Würde Aida Cruises die AIDAprima ersatzlos aus Hamburg abziehen, wäre der Hafen mit einem Schlag 52 Kreuzfahrt-Anläufe los, und die Stadt den damit verbundenen Umsatz gleich mit.

Doch welches Licht würde der Abzug der AIDAprima auf die Reederei und den deutschen Kreuzfahrtmarkt werfen? Es wäre, gelinde ausgedrückt, ein Armutszeugnis. Die AIDAprima ist in der Wintersaison weit und breit das einzige große Kreuzfahrtschiffe in Nordeuropa, sieht man einmal von den Reisen der Schiffe von Cruise and Maritime Voyages ab, die jedoch fast ausschließlich auf dem britischen Markt angeboten werden. Außer den Kreuzfahrtfähren der Color Line, die ganzjährig zwischen Kiel und Oslo verkehren, bieten nicht einmal mehr die großen Fährreedereien ernst zu nehmende Mini-Kreuzfahrten an, seit die meisten von ihnen ihre Nachtrouten nach England, Schweden oder Finnland entweder eingestellt oder auf schmucklose Kombifähren umgestellt haben. Wenn man also eine Marktlücke gefunden und besetzt hat, warum kann oder will man damit dann kein Geld verdienen? Liegt es vielleicht nur an der Route? Die hat in der Vergangenheit schon öfter für mehr oder weniger leise Zweifel gesorgt, denn die von der AIDAprima angelaufenen Ärmelkanal-Häfen Rotterdam, Zeebrügge, Southampton und Le Havre sind in der kalten Jahreszeit nicht eben Touristenmagnete. Und nicht jeder Passagier will für teures Geld einen arg kurzen Bus-Ausflug nach Brüssel (Zeebrügge), London (Southampton) oder Paris (Le Havre) buchen. Cruise and Maritime Voyages macht es da anders und läuft im Winter von England aus die norwegischen Fjorde an, die unter einer Schneedecke mindestens genauso reizvoll sind wie im skandinavischen Sommerregen. Stavanger und Oslo sind auch von Hamburg aus nicht weit weg, und auch das dänische Aarhus würde sich als Winterdestination anbieten. Die zweitgrößte dänische Stadt ist 2017 immerhin europäische Kulturhauptstadt – oder hat sich das zu Aida Cruises noch nicht herumgesprochen? Oder warum nicht im Winter Ostseekreuzfahrten ab Warnemünde anbieten? In Kopenhagen, Gdansk, Tallinn, Helsinki oder Stockholm gibt es immer etwas zu sehen, nicht umsonst gehören Ostsee-Kreuzfahrten zu den beliebtesten beim deutschen Publikum.

Und warum will Aida, wenn der HA-Bericht stimmt, das Flaggschiff ausgerechnet ins Westliche Mittelmeer verlegen? Gibt es dort nicht schon mehr als genügend Kreuzfahrtschiffe, seit alle Großen der Branche als Folge der Terroranschläge in der Türkei und der Nachwehen des Arabischen Frühlings ihre Einheiten dort zusammenziehen? Und warum hat man bei Aida Cruises die AIDAbella 2017 ohne Not nach China verlegt? Dort bekommt sie nicht nur Konkurrenz durch wesentlich größere Schiffe der Branchenriesen Royal Caribbean, NCL und Carnival, sondern hat durch die Einheiten der Schwestermarke Costa Asia auch noch Konkurrenz „im eigenen Haus“. Wenn die AIDAprima für Nordeuropa im Winter zu groß ist, wäre die AIDAbella hierzulande vielleicht besser aufgehoben gewesen als im fernen China.

Wenn aber die Auslastung der AIDAprima tatsächlich „sehr zufriedenstellend“ ist und die Vorausbuchungen „hervorragend“ sind, warum macht man sich den mühsam aufgebauten Markt leichtfertig wieder kaputt anstatt für ein halbes Jahr ein Schiff von der Konzernmutter Carnival oder von der Schwestermarke Costa zu chartern? Fast möchte man rufen: „TUI Cruises, übernehmen Sie!“. Auch am Anckelmannplatz beobachtet man den Markt sicherlich genau und wäre vielleicht mit einem passenden Schiff aus dem Hause Royal Caribbean oder Celebrity Cruises zur Stelle, um sich anstelle von Aida den deutschen Winter-Kreuzfahrtenmarkt zu sichern.

Wie auch immer die Zukunftspläne im Hause Aida Cruises lauten – wir erfahren sie erst am kommenden Donnerstag. Bis dahin gibt allerdings ein weiterer Blick auf die Aida-Webseite zu denken. Dort sind nämlich auf den Oktober-Abfahrten der AIDAsol ab Hamburg (4 Nächte, Hamburg – Ijmuiden – Dover – Hamburg) noch jede Menge Kabinen frei. Und auf der AIDAprima auch.

 

(Gastautor: Kai Ortel)