AIDA Cruises, Auf der AIDAbella barrierefrei Reisen

Auf der AIDAbella barrierefrei Reisen

“Haben Sie Gepäck anzumelden?” – “Ja – über 400 kg für 10 Tage.”….

Eine Kreuzfahrt ist für jeden Gast bereits ein Highlight, worauf er sich freut und Vorbereitungen für die Reise trifft. Doch welchen Herausforderungen muss man sich stellen, wenn man schwer körperbehindert ist?

Vom 09.06. bis 19.06.2012 war Jessika mit der AIDAbella im westlichen Mittelmeer on tour. Wir freuen uns über diese besondere Reise zu berichten, die in vielerlei Hinsicht ein positives Feedback verdient.

„Es war für mich immer ein Traum auf Kreuzfahrt zu gehen und doch fehlte mir der Mut.“ – so begann Jessika ihre Erzählung.  Es waren ihre Eltern und Freunde, welche ihr den Mut und die Überzeugung gaben – es ist machbar!  Während einer eigenen Kreuzfahrt analysierten sie vorausschauend bereits die Rahmenbedingungen an Bord. Hierbei stellte sich unter anderem heraus, dass AIDA eine eigene Abteilung für „barrierefreies Reisen“ bereithält.  Über diese  Abteilung lief dann auch die gesamte Planung, Buchung und Abwicklung der Reise.

Im Gedanken war Jessika schon im Urlaub. So war es für sie dann auch sofort klar, dass ihre Reise von und nach Hamburg wohl am machbarsten sein würde.

Überrascht war sie dann, als die AIDA Fachleute sagten: „Warum wollen sie ab Hamburg fahren, wenn doch die Wärme für sie viel besser wäre?“

Mit diesem Satz war klar, dass eine Mittelmeerkreuzfahrt  das Richtige für sie sein würde. Nachdem Ort und Zeitraum bestimmt waren, begann AIDA mit der Planung. „Es war für mich ungewohnt, so etwas wichtiges anderen zu überlassen, wo ich doch mein Leben stets eigenständig organisiere.“ führt Jessika aus. „Mir ist wichtig mich noch einmal bei AIDA für die Planung, dieses besondere Erlebnis und den Ablauf zu bedanken. Ich würde diese Reise mit AIDA jederzeit gern wiederholen.“

Foto: Jessika

Die Wochen des Wartens waren schnell vergangen und die Mittelmeerreise ab Mallorca konnte beginnen.

Foto: Jessika Otto

Etwas skeptisch und erwartungsvoll startete sie mit ihren 2 Assistentinnen vom Hamburger Flughafen in Richtung unbekannter Erlebnisse.  Mit dabei, neben dem `obligatorischem Koffer pro Person´,  ein mobiler Lifter, der 228kg schwere E-Rollstuhl, sowie weiteres medizinisches Sondergepäck. Dieses Sondergepäck wird kostenfrei transportiert/ ist im Preis inbegriffen, muss aber natürlich angemeldet werden.

Die Abfertigung am Flughafen ging reibungslos von Statten, das Personal war freundlich und zuvorkommend. Auch die Platzierung im Flugzeug erfolgte professionell. Der Sitzplatz für einen körperbehinderten Fluggast ist immer am Fenster, um andere Gäste in ihrer Bewegungsfreiheit nicht zu behindern bzw. im Gefahrenfall diesen den Weg nicht zu versperren.

Auf Mallorca angekommen wurde sie direkt von AIDA Mitarbeitern/Innen empfangen. Jessika hatte den Eindruck ein ganz normaler Passagier zu sein, wobei der Behinderung kompetent und routiniert Rechnung getragen wurde.

Dieser Eindruck blieb während der gesamten Reise bestehen.

Ein riesen Schreck bei der Entgegennahme des Gepäcks am Flughafen  – der mobile Lifter war nicht an Bord!  Sofort kümmerte sich die Crew vor Ort um den Verbleib. Es stellte sich heraus, dass dieser noch in Hamburg lag. Die Nachführung wurde umgehend organisiert und so kam er noch vor dem Ablegen auf dem Schiff an.

Für den Transfer vom Flughafen zum Hafen stand ein bequemes Spezialtaxi bereit. Dieses wurde extra berechnet, welches im Vorwege bekannt war. Leider war nur eine der zwei Assistentinnen im Preis enthalten.

Das Boarding verlief ohne Probleme. An der Gangway standen Crewmitglieder bereit, welche beim Überfahren behilflich waren. Von der Landseite war es so – unproblematisch.

Mit dem 64cm breitem Rollstuhl war das Befahren der Gänge unproblematisch. Gewöhnungsbedürftig zeigten sich lediglich die Bodenschienen der Schotten.

„Beim ersten Mal dachte ich, mein Rollstuhl kippt vornüber.“ sagt Jessika mit einem Lächeln. Auch wenn diese Führungen sehr flach sind, sollte man sie langsam und nicht mit Vollgas überfahren. Dieses gilt insbesondere für Rollstuhlfahrer mit Rückenproblemen, denn ein kleiner Ruck ist unvermeidbar.

Die 80cm breite Kabinentür ist auch auf Grund der Flurbreite leicht befahrbar. Das Öffnen der Tür war jedoch ohne die Assistentinnen nicht möglich, denn die Zeit zwischen der Schlossfreischaltung durch die Bordkarte und dem automatischen Widerverschluss war zu kurz um den Rollstuhl in Position zu bringen.

Die Bewegungsfreiheit in der Kabine war gut. Der begehbare Kleiderschrank diente   dem Rolli gleichzeitig als „Garage“. Leider waren es dann ausgerechnet die vorhandenen Rampen zum Bett, welche das manövrieren des Lifters sehr erschwerten. Dieser ließ sich nicht nah genug und standsicher am Bett positionieren.

Der Nassbereich stellte sich, für ihren großen E-Rollstuhl als zu klein heraus, um das WC nutzen zu können. Da sich an Bord jedoch ausreichend öffentliche, geeignete, geräumige WC´s befinden, ist dieses unkritisch. Die Waschmöglichkeiten waren gut erreichbar. Eine Kabine für solche großen Rollstuhl wäre von Vorteil, für „normale“ Rollis sollte der Platz jedoch ausreichend sein. Alle Geräte und Möbel in der Kabine sind gut erreichbar.

Der Sammelpunkt für die Gäste während der Rettungsübung befindet sich auf Deck 5. Die Fahrstühle dürfen in dieser Zeit nicht benutzt werden. In einem kurzen Gespräch mit der Crew wurde die Frage geklärt, wie man denn von Deck 4 nach Deck 5 mit dem Rollstuhl ohne Fahrstuhl komme. „Es steht Personal zur Verfügung, welches den Passagier über die Treppe hinauf trägt“, kam als Antwort. Auf diese Erfahrung wollte Jessika dann doch verzichten und war während ihrer Schiffserkundung zu diesem Zeitpunkt (zufällig) auf Deck 5.

Alle Decks bzw. Örtlichkeiten konnten mit dem E-Rollstuhl barrierefrei erreicht werden. Lediglich der auf Deck 14 liegende FKK Bereich wurde nicht besucht. Die Fahrstühle sind für den E-Rollstuhl und eine Person ausreichend groß.

Zum Frühstück können Rollstuhlfahrer das Privileg der Tischreservierung nutzen. Nimmt man diese nicht in Anspruch, wird trotzdem ein Tisch für eine gewisse Zeit frei gehalten. Die Buffetauslagen sind nicht nach innen abgeschrägt. Hierdurch werden die Speisen überwiegend schwer erreichbar. Es steht jedoch immer Personal bereit, um die Wünsche des Gastes zu erfüllen und Hilfestellung zu leisten.

Foto: Jessika Otto

„Eigentlich habe ich im Vorwege nicht zu hoffen gewagt, an Landausflügen teilnehmen zu können. Mir hätte es schon gereicht die Zeit an Bord zu genießen.“ Doch an Bord änderte sich diese Meinung schnell.

Die erste Station war Tunis. Es wurde keine Tour gebucht, doch ein kurzer Ausflug an Land wurde in Angriff genommen. Jessica und ihre Begleiterinnen versuchten es… Hier zeigte sich wieder das Engagement der AIDAbella – Crew. Ein Befahren der Rampe von der Bordseite war aus eigener Kraft nicht möglich. Sofort  waren 4 Mann zur Stelle und wollten Jessika samt Rollstuhl auf die Brücke heben. Ein klares „Nein“ beendete den Versuch, denn selbst für engagierte Crewmitglieder dürfte ein 228kg schwerer Rollstuhl plus Fahrerin zu schwer sein. Nach kurzer Beratung wurde schnell eine provisorische Auffahrrampe gebaut und der Landausflug konnte beginnen.

Bei ihrer Rückkehr stellten die Damen fest, dass die Besatzung weiter an der Rampe gebaut hatten, so, dass das Boarding und den weiteren Landausflügen nichts mehr im Wege stand. Das Handeln der Mitarbeiter löste nicht nur ein herzliches Lächeln der Ausflügler aus, sondern war ein Beweis, dass möglich gemacht wird, was geht….In allen Häfen standen für die Ausflüge behindertengerechte Busse bereit, damit auch die Passagiere mit Handicap Land und Leute kennenlernen konnten.

Foto: Jessika Otto

In Valetta, dem nächsten Halt auf der Kreuzfahrt, startete dann für Jessika die erste Landrundfahrt. „Man merkte schon, dass die Rampen an den Bussen nicht oft genutzt werden, aber sie funktionierten einwandfrei und ich war stets dabei und mittendrin“, führt Jessika aus. Ob mit dem Bus und/oder dem Rolli, die Mittelmeermetropolen waren vor Jessika nicht mehr sicher. Palermo, Neapel, Korsika und Toulon standen weiter auf dem Plan.“ In Toulon fühlten wir uns wieder fast zu Hause.“ In der französischen Stadt gab es endlich flache Bordsteine und auch Geschäfte in welche man mit dem Rolli hinein fahren konnte.

Nur Rom wurde ausgelassen, denn hier wäre ein Bahntransfer nötig gewesen – und  was sich schon in Deutschland als schwierig erweist, wollte sie in Italien nicht testen.  Allgemein galt für alle mediterranen Städte, dass für Rollstuhlfahrer die typischen hohen Bordsteine ein Hindernis darstellten. Absenkungen sind dort nicht die Regel. So waren zumeist größere Umwege nötig, um von einer auf die andere Straßenseite zu kommen. Diese Umwege nahm das Trio gern in Kauf.

Wenden wir uns wieder der AIDAbella zu. Die Pools an Deck konnten nicht genutzt werden, da die Breite des Beckenrandes zu groß war. Ein Übersetzen war nicht möglich. Im Theater sind für Rollstuhlfahrer separate Bereiche mit optimaler Sicht ausgewiesen. AIDA achtet peinlich darauf, dass diese inkl. Der Zuwege bei Bedarf auch für Rollifahrer geräumt werden.

Auf Deck 5 sind die Außentüren in zwei Flügel unterteilt. Leider sind die einzelnen Türflügel schmaler als 80cm, sodass für ein durchfahren beide Türen geöffnet sein müssen. Ein elektronischer Türöffner würde Abhilfe schaffen.

Wir hatten bereits einleitend über die Kompetenz der Besatzung gesprochen. Beispielhaft erwähnte Jessika das Dinner am letzten Abend, welches Sie für ihre Assistentinnen gebucht hatte.

„Ich kenne Situationen in denen Kellner auf mich zukommen um die Tischdecke festzuhalten, weil sie denken, ich reiße mit dem Rolli alles um.“ Nicht so auf der Bella. Keine überängstlichen Mitarbeiter, keine übertriebene Aufmerksamkeit (im positiven Sinne). Auch im Rollstuhl ist man ein ganz besonderer , aber auch normaler Gast, an einem besonderen Tag. Angenehme und dezente Zurückhaltung, aber wenn man jemanden braucht, sind sie zur Stelle.

Leider war der letzte Tag und Abreisetag etwas nervend, um folgende Dinge zu regeln:

Damit die neuen Gäste ihre Zimmer beziehen können und das Boarding reibungslos klappt, sind die Zimmer zeitig zu räumen, ganz richtig und normal.  Im „Fall Jessika“ und bestimmt auch anderen Gästen mit Handycap, die eine Kreuzfahrt machen, ist das schwierig, denn bis zum Moment des „von Bord gehens“, muss die medizinische Versorgung sichergestellt werden. So wird zum Beispiel der mobile Lifter bis zum Schluss in der Kabine benötigt und somit kann das Gepäck nicht  fristgerecht aufgegeben werden. Auch die ausgeliehene Mehrfachsteckdose kann nicht, wie vorgegeben, bereits am Vorabend abgegeben werden, da der Rollstuhl und der Lifter noch geladen werden müssen.

Wer Medikamente nehmen muss, benötigt hierfür ungechlortes Wasser. Dieses ist an Bord natürlich kostenpflichtig. Hier könnte die Möglichkeit geschaffen werden, dass es dieser Passagiergruppe durch die medizinische  Abteilung zur Verfügung gestellt wird.

Der Transfer zum Flughafen wurde wieder mit einem Spezialtaxi durchgeführt. Für das dortige Checkin stellte AIDA sogar eine spanisch sprechende Begleitperson zur Verfügung.

Foto: Jessika Otto

Jessika´s Fazit: Es gab zu keiner Zeit einen Anlass unzufrieden zu sein. Von der Reiseplanung, der Betreuung an Bord, der Organisation der Landausflüge, bis hin zur An-und  Abreise war sie vollauf zufrieden.

Die Anmerkungen sollen auf keinen Fall Kritik gelten, sondern als Anregung verstanden werden, für AIDA und zukünftige Reisende mit Behinderung.

„Ich habe nun ein Problem,“ sagt Jessika zum Abschluss. „Ich möchte so schnell wie möglich wieder auf See – mit der AIDAbella“

 

Ein großes Dankeschön gilt Jürgen Scholüke von madle-fotowelt, der diesen Beitrag ermöglicht hat!