30 Jahre Cap Dan Diego in Hamburg – Jubiläums-Tagesfahrt “Einmal noch nach Rio …”

Eine Regenfront zieht am frühen Morgen über Hamburg, fast so, als wolle der Himmel an den traurigen Beginn des Museumsschiffes Cap San Diego erinnern. Kurz vor ihrer Verschrottung wurde das Schiff durch die Hansestadt Hamburg erworben. Im Oktober 1986 kam das stark heruntergekommene Schiff in Cuxhaven an. Der einstige weiße Schwan des Südamerika Liniendienstes war ein Schatten seiner selbst, wie heute noch Bilder in den Gängen des Schiffes belegen. Viele Freiwillige richteten es notdürftig für den Anlauf in Hamburg am 31. Oktober 1986 her. „Es war ein Trauerspiel“, berichtet der Bordelektriker, Klaus Kunze. Er fuhr bereits in den 60ern die Südamerikalinie und ist Mann der ersten Stunde in Cuxhaven.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

Bis 1995 wurde das Schiff durch freiwillige Helfer und ehemalige HDW-Werftarbeiter umgebaut und wieder fahrtüchtig gemacht. Als weißer Schwan ist die Cap San Diego nunmehr Teil der Hamburger Waterkant und als Teilnehmerin der großen Hafenfeste, nicht nur in Hamburg, wichtiger Bestandteil, so wie auch an diesem Tag.

Der Regen endete pünktlich, als die 500 Gäste von der freundlichen Crew an Bord begrüßt wurden. Die Schlepper nahmen pünktlich ihre Positionen ein und mit jedem Meter, den sie die Cap San Diego von der Überseebrücke fortbewegten, rissen die Wolken weiter auf als würden sie der alten Lady Platz machen. Und dann, als sie vor den Landungsbrücken Fahrt aufnahm, kam die Sonne heraus und ließ den Schwan in ihrem leuchtenden Anstrich erstrahlen. Hunderte weiße, rote, gelbe und grüne Luftballons zierten das Schiff. Es ist immer wieder beeindruckend so den Hamburger Hafen an Bord dieses Schiffes, zu verlassen.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

„Einmal noch nach Rio …“, lautete das Motto dieser Ausfahrt. Unter strahlend blauem Himmel verbreiteten sich Sambaklänge einer Live Band und die Gäste ließen sich mitreißen. Sie klatschten und legten ein Tänzchen auf die Planken.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

Was bereits für die Besucher an der Überseebrücke beindruckend ist, entwickelt eine magische Wirkung, wenn man auf dem Schiff und in Fahrt ist. Auf diesem ehemaligen Linienschiff stehen den Gästen alle Türen offen. Ob Brücke, Luke oder Laderaum – sie können mit allen Sinnen das Werken und Leben der damaligen und heutigen Besatzung nachempfinden. Beeindruckend ist der riesige, im Bauch des Schiffes ‚versteckte‘ Maschinenraum. Vom Diesel, über die Schiffselektrik, bis hin zum Wellenkanal – alles kann besichtigt werden. Die Hitze, der Geruch von Öl und Fett, die leisen und lauten Geräusche und die Bewegung der Mechanik vermitteln dem Besucher einen Eindruck des damaligen Lebens der Maschinisten. Was Laien fasziniert, lässt alte Seebären in Erinnerungen schwelgen und sorgt für interessante Gespräche an Bord. Dies gilt es zu bewahren und am Leben zu erhalten.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

Doch die Cap San Diego ist nicht nur ein Museumsschiff. Sie gilt mittlerweile auch als Eventlocation. Künstler nutzen die restaurierten und leicht zugänglichen Laderäume für Ausstellungen. Sie schätzen schlichtweg die gebotenen Möglichkeiten, von der Galerieatmosphäre bis hin zur Herausforderung, die Werke an der schrägen Bordwand direkt auf Stahl zu präsentieren. Gerade letzteres lässt die Werke anders erscheinen als an kahlen, weißen Wänden einer „normalen“ Ausstellung. Sie entwickeln eine neue Dynamik und für den Betrachter eine neue Sichtweise. Bei der Jubiläumsfahrt gab es somit auch 2 Ausstellungen an Bord – zum einen, die des Künstlers Christian Ansen mit dem Projekt: „30 Jahre – 30 Bilder“. Ansen’s Werke entstehen oft auf seinen Fahrradtouren rund um den Hafen und die Cap San Diego. Malerzubehör hat er im kleinen Hänger immer dabei und kann so die Stimmungen direkt einfangen. Zum anderen zeigt momentan die Künstlerin Brigitte van Hoorn ihre Werke „Schiffe – Meere – Traumfetzen“. Surreal und detailverliebt, so sehen wir ihre Acrylmalereien, die sie in einer der Ladeluken präsentiert.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

„Kunst im künstlerischen Freiraum“, nennt es die Bordmanagerin Frau Rädeker. Während wir unter blauem Himmel elbabwärts fuhren, nahm sie sich Zeit für ein nettes, informatives Gespräch.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

Aktuell arbeiten 130 Ehrenamtliche für die Cap San Diego, welche sich mit viel Zeit, Liebe und Engagement um das Schiff kümmern. Froh ist man über jeden Neuzugang aus allen Berufen – auch von Nicht-Seeleuten. Dringend werden Kräfte benötigt, wie aktuell z.B. im Bordshop.

Die Altersstruktur der Freiwilligen ist sehr hoch, gleichwohl auch junge Menschen nachrücken. Es benötigt viel Zeit und Engagement – vor allem für die Jungen – sich in die alte Technik einzuarbeiten. Wir hoffen, dass das die erfahrenen Seebären es schaffen, das fast ausgestorbene Metier weiter zu geben. Wir haben an Bord viele Seeleute Anfang der 20er Jahre gesehen, doch ruht die Verantwortung, mit ihrer Erfahrung weiterhin auf den älteren Generationen.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

Am 17.10.2016 geht der Chief der Maschine, Gerd Reichardt, mit 74 Jahren in den endgültigen Ruhestand. Ihm folgt auf der Position der 65-jährige Joachim Stüber. Wir wünschen beiden alles Gute!

Wie berichtete doch unser Mann der ersten Stunde, Bordelektriker Klaus Kunze, der bisher 1084 Bord-Tage auf dem Schiff verbrachte: „Fast die gesamte Elektrik haben wir damals ausgetauscht.“ Was mit der Elektrik klappte, ist an anderen Stellen nicht möglich und genau hier setzt dieser Erfahrungsvorteil der ‚Alten‘ an. Es gibt keine Pläne, wo z.B. Rohre liegen und jeder Defekt wird zur Herausforderung – es gilt täglich ein weiteres Puzzleteil zu setzen.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

„Wir arbeiten hier mit 130 Individualisten.“, sagte Rädeker. Dieses ist absolut positiv gemeint, wie wir auch erfahren konnten. Allein bei dieser Fahrt waren 7 Kapitäne mit großem Patent an Bord, doch niemand stellt die Anweisungen von Kapitän Rüdiger von Ancken in Frage, denn er ist der Diensthabende. Jeder hat seine Aufgabe und geht in ihr auf, auch wenn ehemals höhere Positionen besetzt waren.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

Für die Erhaltung der Cap San Diego werden pro Jahr 500.000 Euro zzgl. 1 Million alle 5 Jahre für die Klasse (Schiffs- TÜV) eingeplant. Diese Kosten müssen durch die laufenden Einnahmen, Spenden und Sponsoren gedeckt werden. Diese sind willkommen, denn nur so kann der weiße Schwan weiter in der Hamburger Sonne leuchten. „Für Sponsoren machen wir dann auch mal ‚Leinen los‘, z.B. bei Betriebsfeiern.“, sagt Frau Rädeker. „Eine staatliche Förderung gibt es nur punktuell wie z.B. einmalig bei einem Werftaufenthalt oder bei speziellen kulturellen Projekten.“

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

Wir gingen im Anschluss an das Gespräch noch einmal über dieses blitzsaubere Schiff. Unsere Gedanken waren neu sortiert und wir achteten plötzlich auf ganz andere Dinge. Die lockere Atmosphäre, die stetige Ansprechbarkeit der Crew und die Wandlung, welche das Schiff, noch heute sichtbar, durchlebt hat.

Foto: madle-fotowelt

Foto: madle-fotowelt

Als wir wieder an unsere Kameras zurückkehrten, um den Einlauf in Hamburg zu Filmen, machte die Cap San Diego auf uns einen anderen – neuen Eindruck. Wir finden es wichtig, solche Projekte zu unterstützen und erleben es immer wieder, wie die Umgebung, die Menschen eine Magie des ‚ich will auch‘ zaubern kann und auch wir werden uns die Zeit nehmen zurückzukehren – einfach für uns – ohne Kamera. Diese Atmosphäre zu spüren, können wir nur jedem ans Herz legen, der den Hamburger Hafen besucht.

Wir sagen DANKE!

Video zur Jubiläums-Tagesfahrt

360° Video zur Jubiläums-Tagesfahrt

Mehr Informationen zur Cap San Diego unter: www.capsandiego.de

(Gastautoren: Anett & Jürgen Scholüke von madle-fotowelt)