10 Fragen an Dr. med. Jens Dirk Thieß – ehemaliger Schiffsarzt der AIDAdiva

Dr. med. Jens Dirk Thieß wurde in Leipzig geboren, studierte zunächst in Magdeburg Medizin, war anschließend unter anderem in einem Krankenhaus als Internist auf der Notaufnahme und als Notarzt tätig, bevor der Facharzt für Innere Medizin 2010 als Schiffsarzt an Bord der AIDAdiva ging. Die Zeit an Bord der AIDAdiva beschreibt Herr Dr. Thieß als einer seiner schönsten beruflichen Erfahrungen. Wir freuen uns dass er uns dem Interview prompt zustimmte und sich die Zeit nahm einige Fragen zu beantworten.

AIDA Bordhospital

Foto: Jens Dirk Thieß

1. Wie kam es dazu bei AIDA Cruises als Schiffsarzt anzuheuern?

Schuld ist Dr. Schröder vom Traumschiff. Der hat damals im ZDF nicht nur die Herzen der Frauen erobert, sondern auch mein Herz für die Seefahrt zum Schlagen gebracht. Nein, aber mal ehrlich: als Kind hat ja jeder Träume. Einer meiner Träume war schon damals, die Welt kennenzulernen, Abenteuer zu erleben und was ganz besonderes zu machen. Ob das  nun tatsächlich die ZDF Serie war, weiß ich heute nicht mehr, aber diesen Traum vom Schiffsarzt hatte ich immer in mir. Nur es gab nie wirklich Gelegenheit, ihn zu verwirklichen. Dann kam das, was bei so was immer den Ausschlag gibt: eine Trennung. Ich war ungebunden und wollte einfach meinen Traum erfüllen. Die Voraussetzungen waren ja erfüllt:  ich war frei, voller Tatendrang und Abenteuerlust. …Und zufällig kam da das Angebot von AIDA Cruises.

2. Worin liegen die Vor- und worin liegen die Nachteile im Vergleich zur Arbeit am Land und auf dem Schiff?

Die Arbeit als Arzt auf dem Schiff ist eine ganz andere als an Land. Bevor ich aufsteigen konnte, musste ich einen sogenannten „Basic Safety“ Kurs machen. Da lernt man, wie man sich im Feuerfall an Bord verhält und wie Rettungsmittel auf Schiffen funktionieren.

Medizin an Bord ist im Gegensatz zum Krankenhaus an Land eine Herausforderung, weil man als Arzt auf See alles in einer Person ist: Hausarzt, Internist Chirurg, Unfallarzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Psychologe, ja sogar Zahnarzt. Man muss sicher und selbständig Diagnosen stellen, behandeln und alleine mit Situationen zurechtkommen, die man an Land einem Spezialisten überwiesen hätte. Dabei ist man auf die Möglichkeiten, die das Schiffshospital bietet, angewiesen; und die sind sehr groß. Wir können an Bord röntgen, haben eine kleine Intensivstation, ja sogar kleine OP´s können durchgeführt werden. Diese Herausforderung sehe ich als einen Vorteil der Arbeit auf dem Schiff. Man lernt dabei ungeheuer viel –  medizinisch gesehen und menschlich. Letzteres, weil man nicht nur ein Team während der Arbeit ist, sondern, weil man quasi miteinander lebt und mehr noch als an Land auf den anderen angewiesen ist. Wenn Du ein tolles Team hast, dann wird jede Route ein Traum, oder eben auch anders herum. Also Teamfähigkeit ist eine ganz wichtige Voraussetzung als Schiffsarzt. Nachteile sind, dass es auf dem Schiff auch eine ganz eigene Bürokratie gibt, in die man sich mühevoll einarbeiten muss und die der an Land nichts nachsteht. Vielleicht ist es auch ein Nachteil, dass man an Bord quasi immer in Bereitschaft ist. Wir haben zwar zu zweit gearbeitet, jeweils ein Kollege im Dienst und der andere im frei. Aber so richtig frei hatte man nie. Du lebst an Bord quasi für, im und mit dem Hospital. Nach 4 Monaten Einsatz brauchte man in der Tat einen gewissen Abstand, da sich jeder einzelne Tag tatsächlich um das Schiffshospital dreht. Selbst die Kabinen befanden sich mehr oder weniger im Hospital.

3. Welche medizinischen Punkte sollte jeder Gast eines Kreuzfahrtschiffes vor Abreise beachten?

Eine Kreuzfahrt kann jeder machen. Der Passagier ist an Bord quasi medizinisch gesehen besser betreut, als auf einem Landurlaub beispielsweise in Ägypten. Wir können Herzinfarkte genauso gut behandeln wie Krankenhäuser an Land. Nur dass unsere Hilfe schneller ankommt, als ein Rettungswagen in Hurghada. Also gibt es für Passagiere nicht wirklich Einschränkungen im Vergleich zum Landurlaub. Patienten mit einer Dauermedikation, wie zum Beispiel Blutdrucktabletten, sollten diese ausreichend mit an Bord nehmen. Dazu die übliche Reiseapotheke. Diese sollte für Reisen mit dem Schiff ergänzt werden um Medikamente gegen Seekrankheit. Ansonsten: nicht vergessen, ausreichend Sonnenschutz mitzunehmen. Gehbehinderte sollten sich vorab über Barrierefreiheit an Bord informieren. Wir bei AIDA haben beispielsweise vor Reiseantritt jeweils eine Liste mit den Gästen bekommen, die eine besondere Betreuung benötigen und konnten die Reise entsprechend planen und besondere Hilfestellungen anbieten.

4. Was gehört alles in eine gute Reiseapotheke?

Die Reiseapotheke für eine Kreuzfahrt unterscheidet sich nicht wesentlich von der normalen Reiseapotheke. Lediglich Mittel gegen Seekrankheit sollten ergänzt werden. Hier empfiehlt sich besonders das sog. Dimenhydrinat (auch als Reisetabletten bekannt), wobei zu beachten ist, dass diese müde machen. Allerdings immer noch das beste Mittel gegen Seekrankheit ist ausreichend Schlaf, innere Ausgeglichenheit und eine gesunde Ernährung. Erwischen kann es jeden, jederzeit. Es gibt auch kein Geheimrezept gegen Seekrankheit. Dem einen hilft der Blick an den Horizont, der andere verzieht sich in seine Kabine mit Reisetabletten und schläft seine Seekrankheit aus. In jedem Falle ist Seekrankheit keine Schande und sagt nichts über die Seetauglichkeit einer Person aus.

5. Gab es etwas, was Sie im Schiffshospital vermisst haben?

  Ehrlich gesagt: nein! Das Schiffshospital bietet alles was ein kleines Krankenhaus an Land auch bietet. Der einzige Nachteil des Schiffshospitals war, dass es auf Deck 5 lag, also ganz unten im Rumpf des Schiffes und Fenster gab es nur in den Patientenzimmern. Da haben wir manchmal die Deckscrew beneidet, die auf dem Sonnendeck arbeiten konnten.

6. An welche Situation erinnern Sie sich besonders gern zurück?

Es gab so unendlich viele tolle Momente an Bord, so dass mir eigentlich keine spezielle Situation besonders im Gedächtnis geblieben ist. Das, woran ich insgesamt besonders gern zurückdenke, sind die Abende auf dem Crew-Deck, wo der Teil der Crew saß, der frei hatte. Man saß bei einem Bier  oder einer Cola light zusammen und hat geredet… von daheim, seinen Problemen, Freuden, hat Emotionen geteilt, hat philosophiert oder einfach gesungen und den Klängen der Klampfe gelauscht die einer mitgebracht hat… Dann waren da die Momente der Stille nachts auf dem Crew-Deck, wo du  alleine in den Sternenhimmel geguckt hast und einfach den Moment genossen hast.

7. Was könnte man aus Ihrer Sicht tun, um Kreuzfahrtschiffe noch freundlicher für Rollstuhlfahrer zu gestalten?

Ich habe bei AIDA Cruises gearbeitet. Hier wird besonders Wert auf behindertengerechte Bedingungen gelegt. Angefangen von sogenannten „wheel-chair“ Listen, die wir vor Reiseantritt als Rundschreiben bekommen, um über entsprechende Gäste informiert zu sein bis hin zu einer fast vollständigen Barrierefreiheit ist AIDA aus meiner Sicht besonders behindertengerecht und –freundlich.

8. Was hat Sie an Bord der AIDAdiva besonders überrascht?

Überrascht hat mich an Bord eigentlich gar nichts, da ich damals mit meinem Seesack völlig unbedarft aufgestiegen bin und überhaupt keine Vorstellung von dem hatte, was mich in den folgenden 4 Monaten erwartet. Es war ein Abenteuer in das ich eingestiegen bin und das ich nie bereut habe. Erstaunt war ich darüber, dass es an Bord zwei Welten gibt: die Welt vor den „Crew-only“ Türen und die Welt dahinter. Spannender war natürlich die Welt hinter diesen Türen, da sie ja für den „normalen“ Passagier verschlossen sind und sich das Bordleben eben dahinter abspielt – und das war spannend, aufregend und eine völlig neue Erfahrung, die ich nicht missen möchte in meinem Leben!

9. Würden Sie den Job auf der AIDAdiva noch einmal machen wollen?

Diese Frage wurde mir schon oft gestellt. Ich hatte nach meinen von mir geplanten Einsätzen das Angebot, weiter zu machen. Aber neben all dem spannenden, schönen und aufregenden Erfahrungen gibt es bei der Arbeit an Bord einen großen Nachteil: man ist immer weit weg von daheim: von Freunden, Familie, seinen vier Wänden und seinem sozialen Umfeld. Das kann langfristig zu einer großen Belastung werden. Somit habe ich nach 2 Einsätzen meinen Seesack wieder eingepackt und genieße mein „Zuhause“ jetzt viel bewusster und kann Werte, die ich vorher anders gewichtet habe, jetzt viel intensiver erleben. Auch das ist eine Erfahrung, die ich von meinem Einsatz mit nach Hause genommen habe. Außerdem hatte ich an Bord eine verdammt gute Zeit da wir ein geniales Team waren: angefangen von den Schwestern mit denen ich fahren durfte über meine Kollegen, die ich und die mich begleitet haben. Es sind einige Freundschaften daraus entstanden. Somit habe ich eine wunderbare Erinnerung an die Zeit an Bord von AIDA diva. Diese Erinnerungen möchte ich behalten und habe mich deswegen entschieden,  aufzuhören wenn es am schönsten ist…

10. Vervollständigen Sie folgende Sätze:

Auf dem Meer … genießt Du unendliche Freiheit.

Ein Schiffshospital … sollte auf dem Sonnendeck sein. 😉

Gegen Seekrankheit hilft … mir persönlich schlafen.

Schiffsarzt

Foto: Jens Dirk Thieß

Im letzten Jahr öffnete der ehemalige Schiffsarzt Dr. med. Jens Dirk Thieß seine eigene Hausarztpraxis in Potsdam. In dieser pflegt er heute das Motto:

“Der alte Arzt spricht lateinisch, der junge Arzt englisch. Der gute Arzt spricht die Sprache des Patienten.”

(Franz- Anselm von Ingelheim, dt. Mediziner)

Nach einem Besuch vor Ort können wir diese kompetente und schön gehaltene Praxis jedem Kreuzfahrer aus Berlin und Brandenburg nur wärmstens empfehlen.

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