10 Fragen an Christoph Schädel: So lebt ein Kreuzfahrtdirektor ohne Gäste

Wie auch die ALBATROS liegt der Kreuzfahrtklassiker AMERA von Phoenix Reisen aktuell im ostfriesischen Emden. Vorausgegangen war eine Reise, die Gästen und Besatzung lange in Erinnerung bleiben wird: Von Südamerika ging es 5700 Seemeilen über den Atlantik ohne Zwischenstopp zurück nach Deutschland, nachdem sich die Beschränkungen in der Corona-Krise verschärften. Kreuzfahrtdirektor Christoph Schädel blickt zurück und gibt einen Einblick in das aktuelle Leben an Bord. Er erzählt vom starken Teamgeist innerhalb der Crew und von seiner Familie auf den Philippinen, die er zurzeit am meisten vermisst.

Foto: Tobias Bruns

1. Das Wichtigste zuerst: Wie geht es Ihnen und Ihrem Team?

Natürlich schlaucht so eine Reise von Manaus nach Bremerhaven, die wir erlebt haben. Es war eine extreme Anspannung, aber hat uns extrem zusammen geschweißt. Dieser Zusammenhalt im Team hat sich hier in Emden noch verstärkt und hilft, die Tage, ohne Gäste, ohne Anlaufhäfen, gemeinsam zu überstehen. Es sind noch 87 Crewmitglieder an Bord und wir sind eine große Familie.

2. Was waren die größten Herausforderungen auf der letzten, langen Reise?

Bestimmungen, Regularien und Vorschriften haben sich im Minutentakt geändert. Für eine Gästeinformation in der Lounge hatten wir beispielsweise bereits alles inklusive toller Präsentation vorbereitet, ehe es zehn Minuten vor Veranstaltungsbeginn wieder eine Änderung gab. Es war schwierig, aber wir haben uns große Mühe gegeben, unsere Gäste so gut es geht zu informieren. Allerdings wussten selbst wir nicht immer, was der aktuelle Stand der Dinge ist.

3. Inwiefern besteht Kontakt zu den anderen Schiffen von Phoenix Reisen und der Zentrale in Bonn?

Wir machen zwei bis dreimal die Woche eine Telefonkonferenz mit der Zentrale in Bonn. Hier haben wir das große Glück, dass wir direkt gegenüber der ALBATROS liegen. Die Kapitäne quatschen ständig von Bug zu Bug miteinander. Über die sozialen Medien halten wir auch mit den Kollegen, die bereits zuhause sind, weiterhin Kontakt.

4. Wie wurden sie dann hier in Emden und bei der Emder Werft und Dock GmbH aufgenommen?

Uns wurde bereits beim Eintreffen an der Großen Seeschleuse in Emden ein sehr herzlicher Empfang bereitet, nachdem das Gefühlt in Bremerhaven distanzierter als gewohnt war. Die Zusammenarbeit mit der Werft und auch der ostfriesischen Seemannsmission funktioniert hervorragend. Wir fühlen uns als Gäste wahnsinnig gut aufgenommen. Auch bei dem Ausstieg der Crew über Ostern wurden wir seitens der Behörden super unterstützt. Denn der Großteil der internationalen Besatzungsmitglieder ist hier von Bord gegangen. Mit Kleinbussen ging es zum Flughafen Frankfurt und von dort aus mit Charterflügen in die Heimat, zum Beispiel nach Manila, Jakarta oder Minsk.

Foto: Tobias Bruns

5. Wie kann man sich das Leben auf dem Kreuzfahrtschiff ohne Kreuzfahrer nun vorstellen?

Es ist schon ein ungewohntes Gefühl, über die Decks zu laufen und es ist einfach kaum jemand anzutreffen. Ein bisschen Arbeit am Computer gehört dazu, aber wir versuchen auch die freie Zeit gut zu gestalten. Wir machen Sportkurse und jeden Abend ein gemeinsames Kino. Dabei kann sich die Crew jeden Abend einen Film wünschen. Jeden Sonntag gibt es ein Grill-Buffet mit kostenlosen Getränken. Außerdem genießen wir einfach das tolle Wetter und joggen über das Promenadendeck.

6. Was bedeutet die Situation für Sie als Kreuzfahrtdirektor?

Aktuell braucht es ohne Gäste keinen Kreuzfahrtdirektor. Da ich aber auf den Philippinen lebe, wo auch meine Frau und mein Kind sind, komme ich aktuell auch nicht nach Hause. Jetzt bin ich helfende Hand an Bord und springe mit dem Phoenix-Team ein, wo wir gebraucht werden. Sei es beim Abwaschen, beim Abkleben der Teppiche oder Durchführen der Inventur.

7. Der Infektionsschutz verbietet Ihnen aktuell die AMERA zu verlassen. Möchten Sie nach so langer Zeit endlich wieder Boden unter den Füßen haben?

Auch wenn der letzte Landgang ganze 44 Tage zurück liegt, erleiden wir erstaunlicherweise noch keinen “Schiffskoller”. Auch wenn es natürlich schön wäre, in der Emder Innenstadt mal einen Döner oder ein Eis zu essen, fühlen wir uns noch wohl.

Foto: Tobias Bruns

8. Wann rechnen sie mit dem Start der ersten Reise?

Gemäß der Webseite von Phoenix Reisen sind alle Reisen bis 30. Juni abgesagt. Das Verbot von Großveranstaltungen läuft ja allerdings bis zum 31. August, sodass ich persönlich damit rechne, erst im Herbst mit dem ersten Schiff starten zu können. Zum Ende des Jahres geht es dann hoffentlich mit einem zweiten oder dritten Pheonix-Schiff weiter. Abzuwarten gilt es, welche Häfen außerhalb Deutschlands bereit sind, wieder Kreuzfahrtschiffe aufzunehmen. Ich gehe davon aus, dass sich die Kreuzfahrt, wie wir sie bisher kennen, erstmal gewaltig ändern wird.

9. Wie gestaltet sich die Zukunft der Kreuzfahrt nach der Krise?

Wir versuchen verschieden Szenarien zu planen und auf Umsetzbarkeit zu prüfen. Beginnend bei der Einschiffung überlegen wir, ob alle Gäste vorm Betreten des Schiffes gesundheitlich gecheckt werden können. Wie viele Gäste können gefahrlos im Restaurant Platz finden? Wie können Veranstaltungen und Ausflüge durchgeführt werden? Werden wir erstmal nur mit einer Auslastung von 50% unterwegs sein? Können wir ein größeres Hospital einrichten, evtl. sogar mit Isolationsbereichen für den eventuellen Ernstfall einer Infektion?

10. Vervollständigen Sie bitte folgende Sätze:
1. Am meisten vermisse ich aktuell… meine Familie.
2. Die Corona-Krise birgt auch Chancen, weil… wir uns an Bord wie an Land auf die menschliche Nähe konzentrieren. Jetzt wissen wir es erst zu schätzen, Freunde treffen zu können und Veranstaltungen zu besuchen.
3. Die Besatzung der AMERA grüßt… alle Emderinnen und Emder sowie alle Kreuzfahrtfans.