Nord-Ostsee-Kanal: Eine wichtige Abkürzung wird 120

Der Nord-Ostsee-Kanal wird in diesem Jahr 120 Jahre alt – von Anfang an nutzen Hapag und Norddeutscher Lloyd die Wasserstraße. Doch das Alter hat seine Spuren hinterlassen. 250 Seemeilen sparen Reedereien, wenn sie den Weg durch den Kanal wählen.

Schätzen Sie mal: Auf welchem Wasserweg fahren pro Jahr mehr Schiffe: dem Panama-Kanal, dem Suez-Kanal – oder dem Nord-Ostsee-Kanal? Tatsächlich ist der knapp 100 Kilometer lange Nord-Ostsee-Kanal (NOK) zwischen Brunsbüttel und Kiel die weltweit meistbefahrene künstliche Wasserstraße für Seeschiffe: sie passierten im vergangenen Jahr über 32.000 Schiffe – mehr als in Suez- und Panama-Kanal zusammen. Die Tendenz für 2015 ist ebenfalls steigend: allein von Januar bis Mai fuhren 600 Schiffe mehr durch den Kanal als zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Und auch in Bezug auf das Alter spielt der NOK ganz vorn mit: der Nord-Ostsee-Kanal feiert in diesem Jahr sein 120-jähriges Jubiläum.

Foto: Hapag-Lloyd

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Festlich ging es vor 120 Jahren zu, als Kaiser Wilhelm II. den Kanal am 21. Juni 1895 nach achtjähriger Bauzeit persönlich und mit viel Pomp an Bord seiner Kaiseryacht „Hohenzollern“ einweihte. Die Ehre, im Konvoi direkt hinter seinem Luxusschiff fahren zu dürfen, kam der „Kaiser Wilhelm II“ des Norddeutschen Lloyd zu. Die Bremer Reederei hatte die Gunst des Monarchen gegen die Hapag gewonnen, indem sie – anders als die Hapag – damit einverstanden war, die Gäste des Kaisers nicht nur auf eigene Kosten zu befördern, sondern auch zu bewirten.

Foto: Hapag-Lloyd

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Da der ausgewählte Lloyd-Dampfer zudem auf den Namen des Monarchen getauft worden war, überraschte es letztlich wenig, als Wilhelm II. verkündete: „Ich habe bestimmt, dass hinter meiner Yacht zunächst der Dampfer des Norddeutschen Lloyd und dann der der Hamburg-Amerika-Linie folgen soll. Die Reichsfürsten fahren auf dem Lloyd-Schiff.“ Allerdings hatte ein Dampfer der Hapag-Flotte den Kanal bereits zwei Wochen vor der offiziellen Eröffnungsfeier für eine Probefahrt als allererstes großes Schiff durchquert. Zudem profitierte die Hapag angeblich von organisatorischen Pannen beim Norddeutschen Lloyd: Dort fiel die Verköstigung an Bord, so die Legende, nämlich so dürftig aus, dass sich die hungrigen Passagiere später eifrig am Buffet der Hapag-Schiffe bedienten und den dort vorgefundenen exzellenten Service lobten.

Foto: Hapag-Lloyd

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Als kurz nach dieser Feier, am 1. Juli 1895, schließlich der regelmäßige Betrieb aufgenommen wurde, stand die Überführung von Militärschiffen im Vordergrund. Heutzutage ermöglicht der NOK vor allem einen schnelleren Warentransport: allein 2014 transportierten Schiffe eine Gesamtladung von 99,1 Millionen Tonnen durch den Kanal – das drittbeste Ergebnis der Geschichte. Hinzu kommt der Zeitaspekt: 250 Seemeilen, die Fahrt um Skagerrak – zwischen der Nordküste Dänemarks, der Südküste Norwegens und der Südwestküste Schwedens – spart eine Reederei, wenn sie den Weg durch den NOK wählt. Deshalb ist der Nord-Ostsee-Kanal auch im Streckennetz von Hapag-Lloyd ein wesentliches Element: Von den fünf Liniendiensten mit Zielen im Ostseeraum führen vier durch den Schleswig-Holstein durchquerenden Wasserlauf. Hauptsächlich werden hier Zubringerschiffe, sogenannte Feeder, eingesetzt, die Ladung ent-weder von den Ostseehäfen zum zentralen Umschlaghafen in Hamburg oder Bremerhaven transportieren, von wo aus sie dann in die ganze Welt befördert werden – oder umgekehrt.

Foto: Hapag-Lloyd

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Angesichts seines Alters ist der Nord-Ostsee-Kanal zunehmend sanierungsbedürftig. Die Wasserstraße müsste für die immer größer werdenden Frachter vertieft werden. Zudem bedarf es einer weiteren Schleusenkammer sowie der Begradigung und Verbreiterung bestimmter Teilstrecken. Ein Zeitplan für die auf rund 1,5 Milliarden Euro geschätzten Sanierungsmaßnahmen wurde von der „Initiative Kiel-Canal“, wie der NOK im internationalen Sprachgebrauch genannt wird, vorgelegt und soll bis 2028 abgeschlossen sein. Das ist dringend nötig, damit der Kanal seiner Bedeutung als Schlagader des Welthandels auch in Zukunft gerecht wird.