Mein Kreuzfahrt-Wunschzettel 2016

Lieber Weihnachtsmann,

wie Du weißt, bin ich auf allen meinen Kreuzfahrten in diesem Jahr (wie auch schon in den vorangegangenen) immer artig gewesen. Habe brav sämtliche Trinkgelder automatisch von meinem Bordkonto abbuchen lassen, bin immer pünktlich von meinen Landausflügen zurückgekehrt, habe an Bord völlig überteuerte Schiffsmodelle und Tassen mit Reederei-Logo erworben und die Kunde von der schönsten Urlaubsform, die es gibt, fröhlich, unablässig und laut in die Welt getragen. Ich erlaube mir daher, Dir einen Wunschzettel zu schreiben, damit meine Kreuzfahrten im kommenden Jahr noch schöner, noch erlebnisreicher und noch unvergesslicher ausfallen. Mir ist dabei bewusst, dass Du nicht alle Wünsche auf einmal erfüllen kannst – wie das mit Wünschen eben so ist. Zwei oder drei wären aber für den Anfang schon schön. Hier kommt also meine Liste:

1. Kleinere Schiffe

Nichts gegen die großen, wohlgemerkt. Schließlich packen wir ja alle die großen Geschenke an Weihnachten nicht von ungefähr immer zuerst aus. Es ist nur auf den großen Schiffen vieles einfach überflüssig. Du weißt ja: Ich frühstücke morgens an Bord immer ordentlich, bin danach dann den ganzen Tag an Land und kehre abends hungrig und durstig, aber auch ziemlich zufrieden und vor allem müde an Bord zurück. Mehr als ein Restaurant und ein weiches Bettchen brauche ich also gar nicht. (Na gut, ein Swimmingpool ist auch manchmal noch ganz schön.) Kein Planetarium, keinen Hochseilgarten, keinen Auto-Scooter. Keine Eislaufbahn, keine Kletterwand, keinen Wellensimulator. Außerdem passen kleinere Schiffe auch in Häfen, die die großen nicht anlaufen können. Womit wir schon bei Wunsch Nr. 2 wären.

2. Andere Häfen

Du hast mir ja viele meiner Wünsche bereits erfüllt in den letzten Jahren, dafür bin ich Dir sehr dankbar. Ich bin in Bergen und in Geiranger gewesen, in Stockholm und Tallinn, in Barcelona und Marseille, in Mykonos und in Santorin. Inzwischen bin ich in all diesen Häfen aber jeweils so an die zehn- bis zwanzig Mal gewesen, und es ist ja nicht so, dass es in Nord- und Ostsee oder im Mittelmeer nicht auch noch andere Häfen gibt. Die würde ich dann jetzt so langsam auch gerne einmal sehen bzw. wiedersehen. Rønne und Riga z. B., Bremen und Oostende, Sevilla und Valencia, Kefalonia und Chios. Wie, diese Häfen können die meisten modernen Kreuzfahrtschiffe von heute wegen ihrer Größe nicht anlaufen? Dann siehe Wunsch Nr. 1.

3. Mehr Kurzkreuzfahrten

Jedes Jahr aufs Neue will ich meinen Resturlaub oder auch nur ein paar Brückentage auf dem Schiff verbringen, finde aber keine passenden Angebote. Für vier Wochen Südsee oder auch nur für eine Woche Karibik mit anschließendem Badeurlaub hat man aber nicht immer die Zeit oder das nötige Kleingeld. Außerdem gibt es ja auch noch Menschen, die nicht immer nur von Montag bis Freitag arbeiten, sondern auch an Samstagen und Sonntagen. Die würden dann gerne am Montag packen und am Dienstag in See stechen. Das muss dann auch gar nicht so weit weg sein. Immer wenn ich gucke, gibt es aber ausschließlich Abfahrten am Samstag und Sonntag, und die Reisen dauern dann auch immer gleich sieben, zehn oder vierzehn Tage. Vier Tage Nordsee wären aber mal schön. Oder Minikreuzfahrten in der südlichen Ostsee. „Homeland Cruising“ für uns alte Europäer sozusagen. Siehe auch Wunsch Nr. 2.

4. Ganzjährige Kreuzfahrten in Nordeuropa

Kann es sein, dass auch 2016 wieder alle Kreuzfahrtschiffe hierzulande Reißaus genommen haben, als Ende August die ersten Laubblätter von den Bäumen fielen? Und dass sie erst wiederkommen, wenn Anfang Juni die Temperaturen die 20° Grad-Marke übersteigen? Dabei wissen wir Nord- und Mitteleuropäer doch am allerbesten, wie wir unser Wetter zu nehmen haben. Ich jedenfalls gehe lieber im November-Regen in einer norwegischen oder belgischen Kleinstadt spazieren, die ich noch nicht kenne, als die letzten Urlaubstage des Jahres auf dem Sofa zu verbringen. (Siehe Wünsche Nr. 2 und 3.) Gleiches gilt für Ostern und Pfingsten. Da sind nur leider fast alle Schiffe jedes Jahr aufs Neue immer noch in der Karibik, in Brasilien oder in der Werft.

5. Last Minute-Angebote

Ich weiß, meine Landsleute buchen gerne frühzeitig. Wenn ich das aber nicht tun kann, weil ich nicht so lange im Voraus weiß, wann genau ich Urlaub bekomme, sind die Reisen, die mir gefallen, alle immer schon ausgebucht. Und wenn ich doch einmal ein schönes Last Minute-Angebot entdecke, gibt es keinen passenden Flug dazu. Siehe Wunsch Nr. 8. Oder niemanden, der mit mir mitkommen kann. Siehe Wunsch Nr. 7. Ich wünsche mir also, dass die Reedereien ihre Schiffe so konzipieren, dass sie öfter auch mal ein paar freie Kabinen übrig haben, wenn man sie braucht. Dann könnte man nämlich statt der x-ten Städtereise vielleicht doch einmal eine (weitere) Kreuzfahrt unternehmen.

6. Familienfreundliche Preise

Zugegeben: Der eine oder andere pubertierende 13-Jährige verzehrt mehr als manch ein Erwachsener. Ansonsten ist er an Bord eines Kreuzfahrtschiffes aber ziemlich anspruchslos, jedenfalls solange man ihm vor der Reise nicht mit Mitnahme von iPod, Nintendo und Handy verbietet. Das gilt für seine jüngeren Mitreisenden umso mehr. Den robotergesteuerten Bartender nimmt er jedenfalls genauso wenig in Anspruch wie die Armeen von Masseusen, Therapeuten, Ärzten oder Animateuren an Bord. Außerdem lässt sich schlecht nachvollziehen, warum einige Reedereien Kinder und Jugendliche mehr oder weniger umsonst mitreisen lassen, andere dagegen von ihnen den vollen Reisepreis verlangen. An der Schiffsgröße oder am Bordangebot allein kann es jedenfalls nicht liegen. Für Familien mit Kindern, lieber Weihnachtsmann, sind Kreuzfahrten leider immer noch vor allem eines: teuer.

7. Ein Herz für Singles

Nicht immer kann oder will man paarweise oder mit der ganzen Familie im Schlepptau verreisen. Siehe Wunsch Nr. 3. Das heißt aber nicht, dass man deswegen automatisch auf spannende Urlaubstage auf See verzichten möchte. Doch 100% Single-Zuschlag schrecken ab; nicht jeder potenzielle alleinreisende Passagier ist schließlich Millionär. Doch die Schiffe, die über spezielle Single-Kabinen verfügen, kann man leider noch immer an einer Hand abzählen. Warum nicht also Passagierbörsen ins Leben rufen, damit sich gleichgesinnte Reisende eine Kabine teilen können? Das muss dann ja nicht gleich ein Blind Date mit bösem Erwachen bedeuten, Internet und Smartphones erlauben ja inzwischen ein „Beschnuppern“ im Vorfeld. Welche Reederei traut sich zuerst? A propos: Bist Du, lieber Weihnachtsmann, nicht auch selber Single?

8. Einschiffungshäfen mit Flughafenanbindung

Wer nicht gerade in der glücklichen Lage ist, die wichtigsten Einschiffungshäfen Europas mit der Bahn erreichen zu können, ist auf Fluglinien angewiesen, um Kreuzfahrten antreten zu können. Doch nicht überall, wo ein Kreuzfahrt-Terminal steht, ist auch ein großer Flughafen in der Nähe (Bremerhaven, Rotterdam, Savona, La Spezia, Triest), und nicht jeder Airport, der insbesondere von den Billig-Airlines angeflogen wird, liegt in der Nähe eines Hafens (Vilnius, Bergamo, Alicante, Larnaca). Manchmal liegen auch Hafen und Flughafen herrlich dicht beieinander, es fliegt dort nur unbegreiflicherweise fast niemand hin (Liverpool, Genua, Athen). Oder zumindest nicht dann, wenn man einen Flug dorthin braucht. (Siehe Wunsch Nr. 4.) Mein Wunsch also: eine bessere Verknüpfung zwischen Flug- und Einschiffungshäfen. Dann scheitert die nächste individuell geplante Kreuzfahrt nämlich vielleicht nicht wieder bereits an der An- und Abreise.

9. Vernetzte Buchungsportale

Es gibt ca. 120 größere Kreuzfahrtreedereien auf der Welt, plus ein paar kleinere. Die gängigen Buchungsportale zeigen einem aber immer nur die Angebote einer Handvoll wohlbekannter Veranstalter an. Klar, so manch ein ausländischer Nischenanbieter legt keinen großen Wert darauf, international Flagge zu zeigen. Man selber möchte aber vielleicht doch einmal über den Tellerrand schauen, um nicht am Ende doch wieder auf den riesigen Schiffen der immer gleichen Reedereien zu landen. (Siehe Wunsch Nr. 1.) Bisher muss man sich nur leider immer noch durch die Webseiten diverser einzelner Reedereien kämpfen, um auf Reisen abseits des Mainstreams zu stoßen. Denn auch (und vor allem) dort gibt es interessante Schiffe und Routen zu entdecken. Fred. Olsen Lines, Cruise and Maritime Voyages, Thomson Cruises, Mano Seaways, Salamis Cruise Lines, um nur einige wenige zu nennen. Wie praktisch wäre es, wenn auch diese Reedereien mit einem oder zwei Klicks buchbar wären. Ein weiterer Wunsch also, ein frommer vielleicht.

10. Zeit

Mein letzter Wunsch ist vielleicht am schwierigsten von allen zu erfüllen: Zeit. Das ist so, wie wenn man sich Gesundheit wünscht. Oder Weltfrieden. Denn wer kann einem schon Zeit schenken? Trotzdem seien sie hier einmal erwähnt: die 90 Minuten, die ich dieses Jahr in voller Regen- und Wanderausrüstung in einer Lounge warten musste, ehe endlich mein Tenderboot aufgerufen wurde. Die 45 Minuten, die es mitunter dauert, bis man im Restaurant die Vorspeise serviert bekommt. Die ungezählten Minuten auf heißen oder verregneten Piers, die man nicht anderweitig verbringen konnte, weil vor einem gerade drei Reisebusse vom Landausflug zurückgekehrt waren und das Schiff nur über eine einzige kleine Gangway verfügt. Die Schlangen am Büffet. Die Schlangen vor den Fahrstühlen. Die Schlangen an der Rezeption. Wenn Du, lieber Weihnachtsmann, dafür sorgen könntest, dass diese und andere Wartezeiten auf meiner nächsten Kreuzfahrt ein kleines bisschen kürzer werden, dann wäre dies das vielleicht schönste Geschenk von allen. Schließlich wollen wir alle in unserem Urlaub so viel Zeit wie möglich mit unseren Lieben verbringen. Und ist nicht Weihnachten das Fest der Liebe?

In diesem Sinne und herzliche Grüße aus Berlin an den Nordpol,

Dein Kai

(Gastautor: Kai Ortel)