9. ShortSea Feeder- und Binnenschifffahrtsdialog

Madle Fotowelt folgte der Einladung und war für uns beim 9. ShortSea Feeder- und Binnenschifffahrtsdialog

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Hamburg – „Maritimer Strukturwandel: Welchen Kurs nehmen ShortSea- und Binnenschifffahrtsverkehre?“ unter diesem Motto fand am 11.10.2012 der 9. ShortSea Feeder- und Binnenschifffahrtsdialog statt. Ausgerichtet von der Hafen Hamburg Marketing GmbH und SPC Multimodal Transport Solutions trafen sich 160 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik in der Handelskammer der Hansestadt. In der Eröffnungsrede stellte Frau Roller (Hafen Hamburg Marketing GmbH) fest, dass zumeist die großen Carrier im Focus der Medien stehen. Wenn es jedoch um Containertransporte geht, sind diese nur ein Teil der weltumspannenden Handelsketten. Zugegeben – die Imposantesten, aber nicht die wichtigsten, denn das sind auch die Binnenschiffe, die auf Flüssen oder Kanälen unterwegs sind. Hans-Wilhelm Dünner, Herausgeber des Magazins „Schifffahrt Hafen Bahn und Technik“ moderierte die sieben Vorträgen, sowie zwei Podiumsdiskussionen, in welchen die Ziele und Risiken der multimodalen Transportformen beleuchtet wurden.

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v.l. Claudia Roller (Hafen Hamburg Marketing GmbH), Robert Baack (Imperial Shipping Holding GmbH), Hergen Hanke (BCF GmbH UHH mbH), Moderator Hans-Wilhelm Dünner, Ingelore Hering (Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte), Markus Nölke (SPC)

Auch Schiffe haben Fahrpläne

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Leider können die Megacarrier  weder in Berlin, noch in Rosenheim ihre Fracht entladen. Doch wie genau kommen die Waren aus den USA oder China dann an diese Orte? Hierfür hat sich eine globale Logistik entwickelt. Die Welt ist in 30 Fahrtgebiete (Trading Areas) aufgeteilt. Die Containerriesen befahren diese Gebiete übergreifend, auf festen Routen und nach Fahrplänen. Hierbei laufen die Schiffe regelmäßig die großen Seehäfen an, um ihre Container umzuschlagen. Ab hier beginnt der weniger bekannte Weg der Ladung, denn sie muss noch weiter ins Festland zu den Kunden transportiert werden. In den Seehäfen wird ein Teil der Fracht  auf sogenannte Feederschiffe (Versorgungsschiffe) umgeladen,  um diese zu den kleineren Küstenhäfen zu transportieren. Abhängig vom Einzugsgebiet des Hafens und des Frachtaufkommens werden Binnenschiffe, die Bahn oder LKW für den weiteren Transport eingesetzt.

Ansprüche an die Seehäfen und Ziele der Seehäfen

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„In ihrem Weißbuch zum Verkehr hat die EU erklärt  – Es ist das Ziel, bis 2030 – 30% und bis 2050 – 50% des Frachtaufkommens über 300km auf die Binnenschifffahrt zu verlegen“, sagte Markus Nölke (Geschäftsführer SPC). Ein heroisches Ziel, denn neue Herausforderungen und Risiken warten auf die Reeder um wettbewerbsfähig zu bleiben. Was für die Rheinanlieger bereits möglich ist, muss für das Hamburger Hinterland noch realisiert werden. So fordert der Staatsrat der Behörde für Wirtschaft, Dr. Bernd Egert, verlässliche Wasserstraßen im Binnenland. Dies betrifft insbesondere eine ständige Wassertiefe von 1,6m im Mittel- und Oberelberaum und einen Neu- bzw. Ausbau der sogenannten „Schleuse Lüneburg“. Bei dieser Schleuse handelt es sich um eine Erweiterung des Schiffshebewerkes Scharnebeck, damit auch die aktuellen Schiffsgrößen den Elbeseitenkanal befahren können.

Dr. Egert stellt bei weiter steigendem Frachtaufkommen spezielle Liege- und Umschlagplätze für die Binnenschiffe im Hamburger Hafen in Aussicht.

Aktuelle Chancen und Risiken der Reedereien

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Auf Grund der angespannten Finanzmärkte sind Banken, aus regulatorischen Gründen gezwungen, sich aus dem Schiffsfinanzierungsmarkt zurück zu ziehen, erläutert Dr. Johns vom Verband Deutscher Reeder (VDR). Das bekannteste Beispiel ist hierbei in letzter Zeit die Commerzbank. Auch neue Umweltbestimmungen ab 2015 zur Reduzierung der Schwefelimmissionen in der Ostsee setzen die Reeder und ihre Flotten unter Druck. Diese sind zum Teil veraltet und eine Umrüstung gestaltet sich zu teuer bzw. ist technisch nicht möglich. Gleichzeitig liegen Frachtkapazitäten auf Halde, wie man im Hamburger Hafen sehr gut sehen kann. Zu hohe Liege- und Löschkosten für die Binnenschifffahrt in den Seehäfen sind ein weiteres kontraproduktives Faktum. Im Hinterland der Zielhäfen fehlen Leercontainer, um das Frachtaufkommen signifikant zu erhöhen und die hohen Treibstoffkosten gehören ebenso in diese Aufzählung.

Entgegen aller Risiken bilden der nach wie vor wachsende Ostseemarkt und die positive Umweltbilanz pro Tonnenkilometer Chancen, welche durch neue Infrastrukturen und Organisationformen optimiert werden können und müssen.

Schifffahrt und Politik

Gefordert wurde durch die Teilnehmer des ShortSea Feeder- und Binnenschifffahrtsdialogs eine höhere Aufmerksamkeit aus Berlin für die Schifffahrt. Hier hält man sich jedoch bedeckt. Zurzeit wird es keine direkten Hilfen geben, berichtet Dr. Max Johns (VDR). Geplant ist allerdings eine Verschlankung der deutschen Schifffahrtsverwaltung, damit ein Anreiz geschaffen wird, wieder mehr Schiffe unter deutscher Flagge laufen zu lassen. Eine Abwrackprämie für Schiffsraum zur Konsolidierung der Flotte wird durch den VDR begrüßt. Diese Entscheidung obliegt jedoch den EU Gremien in Brüssel und dort wird keine Krise und somit auch kein Handlungsbedarf gesehen. Positive Aussagen für die Reeder aus diesem Bereich sollten sicher anders aussehen. Etwas Optimismus zeigt sich in den Verhandlungen des VDR mit der KfW-Bank bzgl. der Übernahme bestehender Schiffsfinanzierungen. Ein Ergebnis steht noch aus. Die Finanzierung neuer Schiffe wird kurzfristig nur über einen hohen Eigenkapitalanteil von nicht unter 20% möglich sein. Eine Alternative bietet sich durch die stärkere Nutzung von Anleihen. Die Reeder stehen Gewehr bei Fuß, um ihre Flotten zu modernisieren, doch die Bundesregierung gibt hierfür zurzeit keine Impulse.

Transport und Umwelt

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Ein modernes Binnenschiff mit 2.100 t Tragfähigkeit ersetzt 105 LKW mit je 20 t Kapazität. Ein LKW entlässt pro Tonnenkilometer 164gr CO² in die Umwelt, im Vergleich zu 48gr bei der Bahn und 33gr im Schiffsverkehr . Somit sollte der Schiffsverkehr eigentlich im Vordergrund stehen, insbesondere in der Versorgung  des Hinterlandes.  Die Fakten sehen jedoch anders aus. Nur 3,7% des Frachtvolumens entfallen auf die Binnenschifffahrt, gefolgt von der Bahn mit 11,2% und dem Feeder/ShortSea Verkehr mit 37,8%. Erschreckend hierbei ist, dass die Transportart mit der schlechtesten Umweltbilanz, der LKW, 47,3% der Frachten verteilt.

Da hilft dann auch kein EU Transportgesetz. Jens Holger Nielsen (CEO Samskip) bringt es auf den Punkt: „Wer laut schreit verfolgt nur eigene Interessen.“  Welche diese sind, bleibt hierbei offen. Slogans der Parteien, wie etwa: “Es muss eine Verlagerung des Frachtaufkommens von der Straße auf die Schiene erfolgen“,  hört und liest man häufig. Dass aber auch die Bahnen schon stark ausgelastet sind und der Umweltbilanz hinterher hinken, wird nicht erwähnt. Dabei haben die Wasserstraßen noch große Kapazitäten, die nur darauf warten, genutzt zu werden.

Neue Infrastrukturen

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Als ehemaliger Monopolist macht es der „Gelbe Riese“ im Alltag vor. Der Privatmann bringt seine Pakete zur nächsten Filiale, kleine Transporter sammeln die Sendungen und bringen sie zum nächsten Frachtzentrum. Zwischen diesen Zentren werden die Lieferungen verteilt, bis sie dann schließlich beim Empfänger landen. Diese Transportart wird auch als multimodaler Verkehr bezeichnet. Das Gegenteil hiervon wäre der Direktverkehr. Um dieses auch im Container- bzw. Frachtbereich zu ermöglichen ist ein entsprechendes Aufkommen notwendig. 80% der Binnenschifffrachten werden auf dem Rhein umgesetzt. So haben sich konsequenterweise auch hier bereits ausgefeilte Strukturen gebildet, welche diese Transportart ermöglichen. So entstand in Duisburg ein großes Frachtzentrum mit Containerterminal. Hier werden nicht nur komplette Einheiten abgewickelt. Im Frachtzentrum werden auch kleinere Lieferungen in Containern für die Zielbereiche zusammengestellt.

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Die Erwartungshaltung der Kunden an die Logistik fasste Jens Holger Nielsen (CEO, Samskip Multimodal Container Logistics) zusammen. Im Vordergrund stehen für ihn die Sicherheit der Fracht und die Geschwindigkeit des Transportes. „Es geht nur über den Preis“ und somit ist es unabdingbar die richtige Mischung der Transportmittel für kurz- und langfristige Güter zu wählen. Es fehlen flächendeckend mehr Frachtzentren und Anlieferungsstationen. Sind schiffbare Gewässer zu weit entfernt sind Schienenanschlüsse zu schaffen, welche auch privat finanziert sein können. Dieses bildet die Voraussetzung um Handel und Industrie stärker in die Logistikketten einzubinden. Ergänzend werden auch mehr Generalunternehmer für die Koordination und Abwicklung der End- to- End- Transporte benötigt. Um derartige Konzepte großflächig umzusetzen ist es jedoch notwendig über zuverlässige Verkehrswege zu verfügen. Der Rhein und die angeschlossenen Kanäle erfüllen diese Voraussetzungen bereits überwiegend. Im Hamburger Hinterland gibt es hierbei noch viel Entwicklungs- und Nachholbedarf in der Infrastruktur.

Nadelöhr ESK

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Das Frachtaufkommen im Ost-West Bereich, der Elbe, hat einen von Menschen erbauten Engpass – das Schiffshebewerk in Scharnebeck. An dem zwischen 1969 und 1976 erbauten Objekt werden die Schiffe 38m hoch auf den Geestrücken gehoben, um den Elbeseitenkanal zu befahren. Der Kanal verbindet die Elbe mit dem Mittellandkanal. Er ist somit der kürzeste Seeweg zwischen Hamburg und den Industriezentren im Raum Wolfsburg / Salzgitter. Das Hebewerk ist mit

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einer Trognutzlänge von 100m mittlerweile zu klein für die modernen Binnenschiffe und Schubverbände, welche eine Länge von bis zu 185m aufweisen. „Um Frachten auf diesem Weg zu bewegen wurden Schubeinheiten zum Teil bereits zurück gebaut und mit Bug-/Heckstrahlrudern ausgerüstet“: berichtet Hergen Hanke (Geschäftsführer, Börde Container Feeder GmbH). Die Einheiten werden vor dem Hebewerk entkoppelt, um eigenständig durch das Nadelöhr zu navigieren.

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Nach langwierigen Analysen hat man sich für das Konzept einer Sparschleuse entschieden. Sparen hängt hierbei mit Wasser und nicht mit Geld zusammen. Der Hub der Schiffe darf den Wasserstand des Kanals nicht beeinflussen. In einer Sparschleuse werden die benötigten Wassermengen in seitlichen Kammern vorgehalten. Als Herausforderung ist zu sehen, dass die neue Schleuse nur 50m neben dem Hebewerk errichtet  werden soll, der Betrieb auf dem Kanal jedoch nicht beeinträchtigt werden darf. Auch wenn die Planungen bereits abgeschlossen sind, fehlt es an der Finanzierung. So ist derzeit unsicher, wann dieses richtungweisende Projekt startet. Bis dahin müssen sich die Schiffer in Geduld üben und viel Zeit für die Passage des Hebewerks mitbringen.

Neue Unternehmensformen

Unter einer Reederei stellt man sich landläufig einen Konzern mit vielen Schiffen vor. Diesem ist jedoch nicht so. Auch ein Schiffseigner mit nur einem Schiff ist ein Reeder. Diese Kleinstreedereien haben in der Branche offensichtlich einen `Namen` „MS Franziska“. Hierbei handelt es sich um eine Fernsehserie aus den 70er Jahren, in welcher ein kleiner Schiffseigner auf dem Rhein um seine Existenz gegen die großen Reedereien kämpft. Im Rahmen seines Vortrages griff Joachim van Grieken (Geschäftsführer, European Minibulk eG) das Thema auf. Effizienzsteigerung ist nicht nur eine ständige Herausforderung für die großen Reedereien, gerade bei den Kleinen der Branche kann durch einen Zusammenschluss die Effektivität signifikant erhöht werden. Im stark fluktuierenden Frachtbereich lassen sich hierdurch Routen und Volumen optimieren. Genossenschaften bilden hier einen informellen Zusammenschluss. „Eine Genossenschaft kann nicht alle Probleme der Schifffahrt lösen, sie kann jedoch entscheidend unterstützen“ führt Grieken aus. „Die Reeder müssen ihre Zukunft aktiv gestalten, um nicht gestaltet zu werden.“

Rückblick und Ausblick

Wir erinnern uns an das eingangs genannte Ziel 50% des Frachtaufkommens über 300km bis 2050 auf die Schifffahrt zu verlagern? Die Referenten haben dargelegt, wie es gehen könnte. Die in Berlin hergestellte Küche gelangt per LKW zum Frachtzentrum, weiter im Container über den Mittellandkanal nach Köln und vom dortigen Frachtzentrum zum Kunden. Die in Salzgitter hergestellte weiße Ware (Großhaushaltsgeräte z.B. Waschmaschinen) gelangt über den Elbe-Seitenkanal direkt nach Hamburg und per Feeder weiter ins Baltikum.

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Als Teilnehmer des ShortSea Dialogs bietet sich uns rückblickend folgendes Bild: Der Ball ist gespielt und schwebt in der Luft, doch niemand ist bereit ihn aufzufangen. Hierzu nur ein Beispiel aus dem Hamburger Raum: Um Transportvolumen zu erhöhen fordert die Wirtschaft verlässliche Wasserstraßen (Beispiel Schiffshebewerk) und eine Gleichbehandlung bei den Liege- und Umschlagskosten; die Politik, bzw. der Hamburger Hafen, besteht auf einem höheren Frachtaufkommen um diese Infrastrukturen bereit zu stellen. Die Logistiker kaufen jedoch keine modernen Schiffe um dieses zu gewährleisten, wenn diese nicht durch die Schleuse passen. Ein Rad ohne Ende….?

Auf die Frage, warum die Umschlagkosten in Hamburg für die Binnenschiffe so hoch sind, wird geantwortet: „Allein die Umrüstung von Seeschiff- auf Binnenschiffbetrieb der Terminals benötigt 2 Stunden und dieses für eine vergleichsweise sehr kleine Zahl von Containern.“ Außer am Terminal Altenwerder scheint es somit im Hafen keine binnenschifftauglichen Containerbrücken zu geben. Wir fragen uns natürlich warum das so ist. Es gibt an allen Terminals große Infrastrukturen um Bahn und LKW umzuschlagen, aber keine kleinen Brücken für Binnenschiffe!? Wir werden dieses demnächst einmal überprüfen.

Wenn auch auf dem Rhein 80% des Binnenschifffrachtvolumens bewegt werden, gibt es auch hier noch hohen Optimierungsbedarf. Bis zu einer optimalen Logistikstruktur ist es noch ein weiter Weg.

Die Politik fordert eine Verlagerung der Frachtverkehre von der Straße auf die Schiene, baut jedoch Autobahnen aus. Das bestehende Schienennetz ist ausgelastet, doch für die Schifffahrt, mit den freien Ressourcen auf den Flüssen und Meeren, sieht man auf allen Ebenen keinen Handlungsbedarf.

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Auch hierfür ein aktuelles Beispiel. Die A1 wurde gerade für viele Millionen 6 spurig zwischen Hamburg und Bremen ausgebaut. Wenn dann jedoch in den nächsten Jahren das überwiegende Frachtvolumen auf den ShortSea- bzw. Feederverkehr verlagert werden soll, wird es in diesem Bereich wesentlich weniger LKW- Transporte geben. Dieses betrifft nicht nur den Verkehr zwischen Hamburg und Bremen, denn die A1 verläuft schließlich weiter bis ins Ruhrgebiet.

Dieser Konflikt zwischen Politik und Logistik spiegelt sich herrlich in einer Aussage wieder. Auf die Frage, ob der neue „JadeWeserPort“ der neue transshipment Hafen ist, antwortet Jesper Kristensen: „Wir fahren sicher nicht dahin, so lange keine Ware dort ist.“

(Gastautor Jürgen von madle-fotowelt)

Weitere Informationen und Ergänzungen unter

http://www.madle-fotowelt.de/fotogalerien/eventfotografie/berichte-und-reportagen/9-shortsea-dialog.html